Die Chaos-Kompanie
anwesenden Offiziere zurückzuführen war.
Es hieß allgemein, dass jeder Angehörige der Legion drei Namen hatte: den Namen, mit dem er geboren worden war; den, den er sich ausgesucht hatte, als er sich der Legion anschloss; und den Namen,* den er wirklich verdiente. Obwohl in den offiziellen Akten stets der zweite auftauchte, waren die meisten unter dem dritten bekannt, dem Spitznamen, den sie sich durch ihre Persönlichkeit und ihre Taten während ihrer Dienstzeit erwarben, auch wenn nur wenige Offiziere sich formell dazu bekannten, wie die niedrigeren Ränge sie nannten.
Frau Oberst Streitaxt war einer jener seltenen Fälle, in dem der selbstgewählte Name und der Spitzname übereinstimmten. Sie war eine graue, pferdegesichtige Frau mit stechenden Augen, die in ihrem Kielwasser Respekt, Vorsicht und eine nicht geringe Menge Furcht hinterließ, und der steife, nüchterne Schnitt ihrer Uniform fügte dem eine Note von Missbilligung gegenüber jenen Legionären hinzu, die in ihrer Kleidung einen extravaganteren Stil bevorzugten. Eine strenge Aura umgab sie, die man nur als einschüchternd bezeichnen konnte und die wenig dazu beitrug. Leuten, die in Kontakt mit ihr traten, ihre Befangenheit zu nehmen. Die Gesamtwirkung war, als würde man von seiner alternden Mutter in die Pflicht genommen, nur dass in diesem Fall die zu Gericht sitzende Partei einem nicht nur Schuld auflud, sondern einem auch mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem knappen Vermerk auf der Personalakte die ganze Laufbahn ruinieren konnte.
Das allein hätte bei den beiden anderen Offizieren des Gerichts schon Unbehagen verursacht ... zudem war die Frau Oberst ohne vorherige Ankündigung vom Hauptquartier der Legion eingetroffen, nur um dem Kriegsgericht vorzusitzen, und obwohl sie ihr Bestes tat, es als Routinebesuch auszugeben, gebot die simple Logistik, dass sie binnen weniger Stunden nach Erhalt der Benachrichtigung in Marsch gesetzt worden sein musste. Die Folgerungen daraus lagen auf der Hand: Das Hauptquartier hatte ein besonderes Interesse an diesem Fall und wollte sich seines Ausgangs sicher sein. Leider hatte keiner der beiden anderen Offiziere einen Anhaltspunkt dafür, was von ihnen erwartet wurde. Obwohl sie vermuteten, dass an dem Leutnant ein Exempel statuiert werden sollte, beschlossen sie in stillschweigender Übereinkunft, vorsichtig vorzugehen und erst einmal netter Offizier/böser Offizier zu spielen, während sie auf irgendeinen Hinweis seitens der Gerichtspräsidentin warteten. Nach einer Stunde war die Frau Oberst ihnen immer noch eine Andeutung schuldig geblieben, in welche Richtung sie tendierte, da sie sich darauf beschränkte, aufmerksam zuzuhören, während die anderen beiden >diskutierten<.
»Möchten Sie die Gerichtsprotokolle noch einmal durchgehen?«
»Warum? An denen hat sich nichts geändert!« knurrte Major Josua. Von olivegrauer Hautfarbe und von Natur aus übermäßig impulsiv, hatte er mühelos den Part des Bösen übernommen. In diesem Augenblick jedoch wurde er des Spiels müde und war gewillt, die Angelegenheit zu einer Entscheidung zu bringen. »Ich weiß nicht, warum wir immer noch darüber debattieren! Der Mann ist so schuldig wie die Sünde - und er gibt es sogar zu! Wenn wir ihm nicht ordentlich eins aufs Dach geben, wird es so aussehen, als würden wir gutheißen, was er getan hat.«
»Schauen Sie mal, Jos - ich meine, Major -, immerhin gibt es einige mildernde Umstände.«
Der rundliche Hauptmann Humpty hatte keine Schwierigkeiten, den Guten und damit des Teufels Advokat zu spielen. Es entsprach seiner Gewohnheit, für den Schwächeren einzutreten, auch wenn dieser Fall sogar seine großzügige Toleranz auf eine harte Probe stellte. Dennoch stellte er sich der Herausforderung. »Wir sagen doch andauernd, wir wollen, dass unsere jungen Offiziere Initiative und Führungsqualitäten zeigen. Wenn wir ihnen jedesmal auf die Finger klopfen, wenn sie etwas ausprobieren, das dann nicht klappt, wird bald niemand mehr den Mut haben, irgend etwas zu tun, das nicht ausdrücklich befohlen wurde und genau den Vorschriften entspricht.«
Der Major schnaubte ungläubig. »Initiative! Blutrünstiger Opportunismus wäre wohl der richtigere Ausdruck wenigstens haben die Medien es so genannt, wenn ich mich recht erinnere.«
»Lassen wir neuerdings die Medien unseren Kodex festsetzen?«
»Natürlich nicht«, räumte Josua ein. »Aber wir können unser Bild in der Öffentlichkeit auch nicht völlig ignorieren.
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