Die Chaosschwestern legen los - Mueller, D: Chaosschwestern legen los
ein, dass ICH ihn angerufen habe. Also ist das gerade MEINE Rechnung, die ins Unermessliche wächst, während ich versuche, meine kleine Schwester von der Wahrheit abzulenken.
»Javi? Ich ruf dich morgen wieder an, ja?«
»Si, si, bien«, höre ich klar und deutlich Javiers dunkelmännliche Stimme antworten, »un beso más grande del mundo para ti, mi amor!«
Uuuu! Warum sind die Stimmen spanischer Männer bloß immer so laut und dominant?
Oh nein! Und warum haben kleine spionierende Schwestern bloß gerne so ein fieses, breites Grinsen im Gesicht?
»Austauschschüler, was?«, feixt Malea. »Mit dem hast du dich aber schnell angefreundet!« Sie strahlt übers ganze Gesicht.
Ist ja auch kein Wunder. Glaube kaum, dass ich sie noch ein weiteres Mal von den richtigen Schlussfolgerungen abhalten kann. Nun hat sie mich natürlich in der Hand. Und das weiß sie.
Sie strahlt wie Sommerferien und Geburtstag zusammen. »Du, Tessa? Ob du mir vielleicht morgen Nachmittag ein bisschen beim Auspacken helfen könntest?«
Rrrrrr! Als Antwort greife ich nach dem erstbesten
Gegenstand und schmeiße ihn in ihre Richtung. »Verschwinde, du kleine Laus!«
Leider war der erstbeste Gegenstand mein kleines Schminkmäppchen mit all meinen Kajalstiften drin. Oh nein, hoffentlich sind die Minen jetzt nicht alle zerbrochen!
Malea lacht und zieht die Tür hinter sich zu. Dann poltert sie die Treppe runter.
Ich überlege. Soll ich jetzt hinterherlaufen und um Gnade winseln? Nein, Quatsch. Nein, ich vertraue ihr. Ich traue ihr natürlich bedenkenlos zu, dass sie mich diese Woche erpressen wird, wo sie nur kann. Aber ich glaube auf der anderen Seite nicht, dass sie mich wirklich bei Iris oder Cornelius verpfeifen würde. Schließlich sind wir Schwestern. Und Schwestern halten zusammen.
Na ja, vielleicht werde ich ihr zur Sicherheit ein winzig kleines bisschen bei ihren blöden Müllkisten helfen. Aber morgen Nachmittag nicht. Da muss ich arbeiten. Für Spanien. Juchhu!
Livi
Rema hat einen Lieblingsspruch, der geht so: Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade draus! Aber ganz ehrlich: Von Limonade allein kann auch kein Mensch ewig leben!
Warum gibt es bei uns im Land eigentlich eine Schul pflicht? Warum können nicht wenigstens diejenigen Kinder, die bereits mit grässlichen Familien geschlagen sind, davon befreit werden? Oder warum werden die Kinder mit grässlichen Familien nicht wenigstens von peinlichen, gleichaltrigen Nachbarn verschont? Oder warum habe ich nicht vernünftige Tarnkleidung in meinem Kleiderschrank? Ich meine, wirklich echte Tarnkleidung, in die man reinschlüpft, und dann ist man unsichtbar.
Es ist Montagmorgen. Der letzte Morgen, bevor ich in der Schule als komplett Geisteskranke dastehen werde. Gestern war der letzte Tag, an dem ich noch einen Hauch einer Chance gehabt hätte, jemals ein halbwegs normales Leben zu führen. Seit gestern Mittag ist jede Hoffnung verloren.
Oh, warum muss immer ich in solche Situationen geraten? Warum nicht zum Beispiel Malea? Ich bin sicher, ihr würde das nicht mal was ausmachen. Sie würde nur laut
lachen und hocherhobenen Kopfes durch all die Leute zu ihrer Klasse marschieren.
Ich kann das nicht. Ich kann durch keinen durchmarschieren. Ich kann mir nur immer und immer wieder vorstellen, was die anderen denken werden, wenn Gregory ihnen die Geschichte von mir im Daisy-Duck-Schlafanzug, brütend auf einem matschigen Hühnerei unter unserem Rhododendron, erzählt. Ich weiß genau, was Daniel denken wird. Daniel wird denken: Livi? Haha! Mann, das kann ich mir soo gut vorstellen! Ich hatte schon immer den Eindruck, die spinnt ein bisschen. Und dann wird er Gregory kopfschüttelnd angrinsen und weggehen.
Nicht dass er sonst mit mir reden würde. Daniel ist viel zu beschäftigt mit den Sahnetörtchen in unserer Klasse, um mit mir zu reden.
Die Sahnetorten, so nenne ich Mädchen wie Cäcilie und Kaya und Liane und so. Eben so die Art Tessa-Mädchen. Mädchen, die jeder Junge sofort toll findet. (Und eben die Art Mädchen, die ICH auf keinen Fall sein will!)
Ja, wie gesagt, nicht dass Daniel sonst jemals mit mir reden würde. Aber..., dass er sich Livi Martini nun sehr bald in allen peinlichen Einzelheiten, praktisch in einem Baby-Strampler, inmitten von Regenmatsch und mit Eigelb am Hintern vorstellen kann, das hilft in der Richtung bestimmt nicht viel.
Ach, warum kriege immer nur ich die Zitronen im Leben? Erst meine Familie (multiple Zitrone), dann Gregory als Nachbar
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