Die Chaosschwestern legen los - Mueller, D: Chaosschwestern legen los
vorsichtig die Klinke von Tessas Zimmer runter.
Ah, die liegt auch in ihrem Bett. Nein, halt, Moment mal! Das sind ja gar nicht Tessas blonde Haare, die da unter der Bettdecke hervorlugen, das sind ja rötliche Haare.
»Livi!«, rufe ich und hopse erfreut zu ihr aufs Bett. Endlich habe ich sie gefunden.
»Waaaaah!«, macht Livi und richtet sich mit einem Ruck und entsetzten Augen auf.
Was ist denn los? Das bin doch nur ich? Also manche Menschen sind echt ganz schön schreckhaft!
»Kenny!«, stöhnt sie. »Ich dachte, ein Nilpferd fällt auf mein Bett!«
Ein Nilpferd? Wieso sollte denn bitte ein Nilpferd ausgerechnet in unser Haus fallen? Und überhaupt ist das doch gar nicht ihr Bett, das ist doch Tessas Bett. Das sage ich Livi.
Livi guckt sich verwirrt um. »Ach ja...«, murmelt sie. Dann grinst sie. »Und du hast in meinem Bett geschlafen, oder?«
Ich nicke. Endlich wird Livi etwas klarer im Kopf. Ein Glück. Dann kann ich ihr nämlich sagen, dass Tessa nicht da ist. Was ganz, ganz merkwürdig ist. Denn es gibt bei uns im Haus nur eine, die Malea möglicherweise schlagen kann, was das Langeschlafen angeht, und das ist
Tessa. Aber Tessa schläft nicht mehr. Weder in ihrem Bett noch woanders, denn ich habe alle Betten kontrolliert. Außer Remas Bett. Aber die braucht ihr Bett für sich allein, sagt sie immer. Und bei all dem schönen Kuschelbauch, den Rema an ihrem Körper hat, glaube ich ihr das auch.
Livi hört sofort auf zu grinsen. »Tessa ist weg?«
»Na ja, ob sie weg ist, weiß ich nicht«, sage ich, »vielleicht ist sie ja im Garten oder in der Küche oder...«
»Wie spät ist es?«, unterbricht mich Livi beinahe unfreundlich.
»Guck doch selbst«, raunze ich beleidigt zurück.
Und das tut sie.
»Zehn vor acht!«, schreit Livi laut auf. »Es ist erst zehn vor acht!«
Na und?, denke ich. Ist Livi jetzt etwa sauer, dass ich sie geweckt habe? Irgendwann wäre sie doch sowieso aufgewacht. Warum also nicht jetzt?
Aber das scheint gar nicht der Grund zu sein, warum sie schreit.
»Wenn Tessa noch im Haus wäre, würde sie um diese Uhrzeit garantiert noch schlafen!«, schreit Livi.
»Mhm«, nicke ich, denn da ist was dran. Warum Livi aber deshalb so schreien muss, verstehe ich nicht. Ich bin doch nicht taub.
»Ooooh, neiiiiin!«, macht Livi jetzt und lässt sich zurück in die Kissen sinken. »Die ist tatsächlich abgehauen! Das glaub ich doch nicht!«
Na und ich noch weniger! Ui, das ist aber interessant! Tessa abgehauen? So richtig? So mit Koffer und Verstecken in Heuschobern oder Pferdeställen und mit Schlafen hinter dunklen Tankstellen und alldem? Denn das macht
man doch so, wenn man abhaut, oder? Also im Fernsehen machen die das jedenfalls immer so.
Ich reiße die Augen auf und sehe Livi erwartungsvoll an. Ob sie noch mehr aufregende Neuigkeiten weiß?
»Ich muss sofort Dodo anrufen«, sagt Livi. Zum Glück wieder in normaler Lautstärke.
»Warum?«, frage ich. »Will die auch abhauen?«
»Wie?«, murmelt Livi. Aber sie hört mir schon nicht mehr zu, denn sie wühlt irgendwelche Adressbücher auf Tessas Nachttisch durch.
Dann guckt sie nach einem Telefon. Aber Tessas Handy ist natürlich nicht da. Ist ja klar, das hätte ich auch mitgenommen, wenn ich abgehauen wäre.
»Mist«, sagt Livi. Sie schält sich aus dem Bett und geht mit dem Adressbuch runter in den Flur, wo unser Festnetz-Telefon steht. Dann wählt sie eine Nummer.
»Dodo? Hallo Dodo, hab ich dich geweckt? Entschuldige, hier ist Livi. – Livi. – Hier ist OLIVIA!«
Meine Güte, ist Dodo blöd? Wie oft soll Livi denn sagen, wer sie ist! Ich geh lieber mal in die Küche und hol mir einen Apfel. Ich krieg Hunger.
Als ich zurückkomme, ist Livi fertig mit Telefonieren.
»Na, wollte Dodo auch abhauen?«, frage ich ganz freundlich.
Livi guckt mich verwirrt an. »Nee, wieso das denn?«
»Ich dachte, du rufst sie an, um sie das zu fragen.«
Livi grinst. »Nee, Kenny, keine Sorge.«
Wieso sollte mich das sorgen? Ist mir doch egal, ob Dodo abhaut oder nicht.
Bei Tessa ist es mir dann sooo egal allerdings nicht. Das merke ich gerade.
»Wann kommt sie denn zurück?«, frage ich vorsichtig.
»Wer?«
»Na, Tessa!« Sind denn heute Morgen alle ein bisschen begriffsstutzig?
Livi seufzt. »Weiß nicht. – Bald. – Denke ich.« Sie nimmt jetzt auch Kurs auf die Küche. »Ich denke, wir beide sollten jetzt frühstücken und dann gehe ich wohl mal zu Tessa und werde sie besuchen.«
»Im Pferdestall?«
Jetzt guckt Livi noch
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