Die Chaosschwestern legen los - Mueller, D: Chaosschwestern legen los
den riesigen Kasten gefüllt mir Stroh, der in einer Ecke des Wirtschaftsraums steht. Groß genug für etwa zehn Hühner. Und ich bemerke, dass Aurora zielsicher auf diesen Kasten zusteuert. Und – meine Güte! – mir wird schlagartig klar, dass ich soeben Auroras Geheimnis herausgefunden habe. Ich stehe, nein, wir alle stehen direkt vor Auroras Zuhause!
»Walter!«, sagt Gregory und grinst ein bisschen. »Mann, Walter! Warum hast du denn kein Wort gesagt?«
Und Walter Walbohm guckt verschämt zu Boden und wird doch tatsächlich rot.
Aber das ist doch wirklich merkwürdig. Er füttert Aurora regelmäßig, aber als wir uns vor unserem Einzug vorgestellt haben, hat er behauptet, noch nie ein Huhn bemerkt zu haben. Und als Aurora nicht mehr zu leugnen war, behauptete er immer noch, er hätte keine Ahnung, wo sie herkäme oder wem sie gehöre. Und nun wird sie nicht nur von ihm gefüttert, sondern wohnt offensichtlich auch hier. Was ist das für ein komisches Verhalten?
Eine Viertelstunde später hocken wir alle in Walters Wohnzimmer mit dampfendem, honigsüßen Tee vor uns und reden alle durcheinander. Livi hat mit Verbandszeug aus Walters Erste-Hilfe-Kasten meine blutende Schramme an
der Hand verbunden, und ich kann mich voll darauf konzentrieren, alle Puzzlestücke der merkwürdigen Geschehnisse endlich zusammenzusetzen, wie es sich für eine gute Spionin gehört.
Es stellt sich heraus, dass Tessa mit ihrer Freundin Dodo arbeitet, weil sie Geld sparen wollen, um irgendwann vielleicht mal in Spanien eine Schule besuchen zu können. Deshalb haben sie auch einen Spanischkurs angefangen, immer dienstags.
»Aber Cornelius wollte ich eigentlich noch nichts davon verraten«, murmelt Tessa und seufzt.
Warum denn nicht?, denke ich. Der fällt doch bestimmt um vor Freude, wenn er hört, dass Tessa freiwillig lernen will.
Und dann zeigt Javier die kleine Goldmünze, die er Walter gerade abgekauft hat. »Für meinen Vaterrr zum Geburtstag!«
Wie nett!, denke ich. Wir haben Cornelius noch nie eine Goldmünze zum Geburtstag geschenkt.
»Ist Gold nicht schrecklich teuer?«, frage ich. Und verstehe nicht, wieso Tessa und Livi plötzlich wieder so entsetzte Gesichter machen. (Wieso sind die überhaupt alle hier?)
»Nicht immer«, antwortet Walter Walbohm. »Diese hier hat zum Beispiel nur – darf ich das sagen, Javier?« Er wartet, bis Javier lächelt und nickt. Dann fährt Walter fort: »Die hat nur fünfundzwanzig Euro gekostet. Ist aber doch trotzdem ein sehr schönes Geschenk, oder?«
»Unbedingt«, nickt Tessa und lächelt nun wieder irgendwie erleichtert.
»Und warrrum magst du dann meine Kette nicht?«, fragt Javier daraufhin.
Doch da wird Tessa tomatenrot.
Uiiii! Jetzt wird es spannend, wetten?
Langsam und stotternd geben Livi und Tessa zu, was sie für einen schlimmen Verdacht hatten und wieso sie überhaupt heute Abend hierhergekommen sind.
Walter und die Spanier sind für einen Moment sprachlos.
Javier sagt etwas auf Spanisch, das keiner von uns versteht. Aber ich habe das Gefühl, das ist auch gut so.
»Bitte verzeih mir!«, sagt Tessa mit zittriger Stimme. »Ich war doch nur so verunsichert wegen der Kette. Ich meine, ich konnte mir nicht erklären, wo du so viel Geld herhast, um eine so dicke Goldkette zu kaufen! So viele Tausend Euro!«
Nun guckt Javi verlegen. Und weiß nicht, was er sagen soll.
»Aber Tiarrra, ángel mio«, murmelt er leise. »Das ist doch kein echtes Gold, das ist doch nur... Ich fand sie nur so schön, und da dachte ich, es ist nicht schlimm, wenn es kein richtiges Gold ist, und dass sie dirrr vielleicht trotzdem gefällt und...«
»Es ist gar kein Gold?«, quietscht Tessa auf. Und einen Moment fürchte ich, dass Tessa so gemein sein könnte zu sagen, dass sie die Kette dann gar nicht haben will.
Aber das Gegenteil tut sie.
»Oh, lieber, lieber Javi!«, ruft sie und erdrückt ihn fast mit Küssen. »Wie bin ich froh!«
Und sie scheint so enorm froh zu sein, dass Javier kaum noch Luft bekommt und bedenklich anfängt zu röcheln. Da soll einer große Schwestern verstehen!
»Wenn du so froh darüber bist«, keucht er unter ihrer Umarmung, »dann bin ich auch frrroh!« Er versucht zu
grinsen. »Und erleichtert, dass mich die nächsten Geschenke ebenfalls nicht viel Geld kosten müssen. Was bist du fürrrr ein wunderrrbarrres Mädchen, ángel mio!«
Walter Walbohm schüttelt den Kopf und lacht.
Und nachdem ich behauptet habe, dass ich in der Schule einen Aufsatz
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