Die Chirurgin
gesagt? Oder getan?«
»Sind Sie hier nun fertig für heute oder was?«
»Es ist wegen Moore, nicht wahr? Deshalb sind Sie gegen mich aufgebracht.«
Rizzolis Züge verhärteten sich. »Detective Moores Privatleben ist seine Sache.«
»Aber Sie haben etwas dagegen.«
»Er hat mich nie nach meiner Meinung gefragt.«
»Ihre Meinung ist nun wirklich kein Geheimnis.«
Rizzolis Blick drückte unverhohlene Abneigung aus. »Ich habe Moore immer bewundert. Ich dachte, er sei eine strahlende Ausnahme. Ein Polizist, der sich nie einen Fehltritt leistet. Es hat sich herausgestellt, dass er keinen Deut besser ist als die anderen. Es fällt mir allerdings schwer, zu begreifen, dass eine Frau der Grund dafür ist, dass er sich in diesen Schlamassel manövriert hat.«
Catherine nahm ihre OP-Haube ab und warf sie in den Abfalleimer. »Er weiß, dass es ein Fehler war«, sagte sie. Dann stieß sie die Tür des OP-Trakts auf und trat hinaus auf den Flur.
Rizzoli blieb ihr auf den Fersen. »Seit wann?«
»Seit er ohne ein Wort aus der Stadt abgereist ist. Ich schätze, es war nicht mehr als eine vorübergehende Verirrung.«
»War er das auch für Sie? Eine Verirrung?«
Catherine stand im Flur und kämpfte gegen die Tränen an. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was ich denken soll.
»Sie scheinen immer und überall im Mittelpunkt zu stehen, Dr. Cordell. Die Bühne gehört Ihnen, und alle Augen sind auf Sie gerichtet. Das gilt für Moore. Und für den Chirurgen.«
Catherine wirbelte herum und funkelte Rizzoli wütend an. »Denken Sie etwa, das gefällt mir? Ich habe mich nie darum gerissen, ein Opfer zu sein.«
»Aber es passiert Ihnen immer wieder, nicht wahr? Es gibt da irgendeine seltsame Verbindung zwischen Ihnen und dem Chirurgen. Am Anfang habe ich das nicht erkannt. Ich dachte, er hätte all die anderen Frauen getötet, um seine kranken Fantasien ausleben zu können. Jetzt glaube ich allmählich, dass es immer nur um Sie ging. Er ist wie ein Kater, der Vögel tötet und sie seinem Frauchen ins Haus bringt, um zu beweisen, was für ein guter Jäger er ist. Diese Opfer waren alle nur Geschenke, mit denen er Sie beeindrucken wollte. Je mehr Angst Sie bekommen, desto mehr fühlt er sich bestätigt. Deswegen hat er Nina Peyton erst getötet, als sie hier im Krankenhaus unter Ihrer Obhut war. Er wollte, dass Sie sein außerordentliches Geschick aus nächster Nähe bewundern können. Er ist von Ihnen besessen. Und ich wüsste gerne, wieso.«
»Er ist der Einzige, der diese Frage beantworten kann.«
»Sie haben keine Ahnung?«
»Wie sollte ich? Ich weiß ja nicht einmal, wer er ist.«
»Er war mit Andrew Capra in Ihrem Haus. Wenn das, was Sie unter Hypnose ausgesagt haben, die Wahrheit ist.«
»Andrew war der einzige Mensch, den ich an jenem Abend gesehen habe. Andrew ist der einzige …« Sie hielt inne. »Vielleicht ist er ja gar nicht von mir besessen, Detective. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht? Vielleicht ist er von Andrew besessen.«
Rizzoli runzelte die Stirn. Was Catherine gerade gesagt hatte, schien sie zu beeindrucken. Und Catherine wurde plötzlich klar, dass sie auf die Wahrheit gestoßen war. Im Zentrum der Welt des Chirurgen stand nicht sie, sondern Andrew Capra. Der Mann, dem er nachgeeifert, den er vielleicht wie einen Gott verehrt hatte. Der Partner, den Catherine ihm entrissen hatte.
Sie blickte auf, als ihr Name über die Sprechanlage ausgerufen wurde.
»Dr. Cordell, bitte sofort in die Notaufnahme! Dr. Cordell, sofort in die Notaufnahme!«
Mein Gott, werden die mich denn nie in Ruhe lassen?
Sie drückte den Abwärtsknopf am Fahrstuhl.
»Dr. Cordell?«
»Ich habe jetzt keine Zeit für Ihre Fragen. Ich muss mich um meine Patienten kümmern.«
»Wann werden Sie Zeit haben?«
Die Tür glitt auf, und Catherine betrat die Kabine; eine erschöpfte Soldatin, die an die Front zurückgerufen wurde.
»Meine Nacht hat eben erst begonnen.«
An ihrem Blute will ich sie erkennen.
Ich lasse den Blick über die Gestelle mit den Blutproben schweifen, so wie man lüstern eine Schachtel Pralinen beäugt und sich fragt, welche wohl am köstlichsten schmecken mag. Unser Blut ist so einmalig wie wir selbst, und schon mit bloßem Auge kann ich verschiedene Rottöne unterscheiden, von hellem Scharlachrot bis hin zum satten Farbton der Schwarzkirsche. Mir ist wohl bewusst, welchem Stoff wir diese breite Farbpalette zu verdanken haben; ich weiß, dass das Hämoglobin in verschiedenen Stadien der
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