Die Chirurgin
Das tut weh! «
»Ich weiß, Schätzchen, ich weiß.«
» Gar nichts wissen Sie, Mensch!«
»Gleich wird es dir schon besser gehen. Wie heißt du denn, mein Sohn?«
»Rick … O Mann, mein Bein …«
»Rick und weiter?«
»Roland!«
»Hast du irgendwelche Allergien, Rick?«
»Was ist den los mit euch, ihr Knallköpf e?!«
»Haben wir Messwerte?«, unterbrach Catherine, während sie sich Handschuhe überzog.
»Blutdruck hundertzwei zu sechzig. Puls hundertdreißig.«
»Zehn Milligramm Morphium i.v. im Schuss«, sagte Kimball.
»Scheiße! Gebt mir HUNDERT!«
Während der Rest des Teams hektisch umherwuselte, Blutproben abnahm und Infusionsbeutel aufhängte, zog Catherine das blutgetränkte Laken zurück und hielt die Luft an, als sie den Stauverband an einem Bein erblickte, das kaum noch als solches zu erkennen war. Der rechte Unterschenkel hing nur noch an ein paar Hautstreifen. Die nahezu abgetrennte Extremität war nur noch eine zerquetschte rote Masse; der Fuß war um fast 180 Grad verdreht.
Sie fasste die Zehen an; sie waren eiskalt. Einen Puls konnte es natürlich nicht geben.
»Sie haben gesagt, es sei nur so aus der Arterie rausgeschossen«, sagte der Sanitäter. »Der erste Polizist, der am Unfallort eingetroffen ist, hat den Stauverband angelegt.«
»Der Polizist hat ihm das Leben gerettet.«
»Morphium ist drin!«
Catherine leuchtete die Wunde an. »Anscheinend sind sowohl der Nerv als auch die Arterie in der Kniekehle durchtrennt. Die Gefäßverbindung zu seinem Unterschenkel ist unterbrochen.« Sie sah Kimball an, und sie wussten beide, was zu tun war.
»Bringen wir ihn in den OP«, sagte Catherine. »Er ist stabil genug für den Transport. Dann haben wir diesen Raum frei.«
»Gerade rechtzeitig«, bemerkte Kimball, als das Geräusch einer weiteren Sirene sich näherte. Er wandte sich zum Gehen.
»Hey. Hey! « Der Patient packte Kimball am Arm. »Sind Sie nicht der Doktor? Das tut sauweh! Sagen Sie diesen blöden Tussis, dass sie irgendwas tun sollen!«
Kimball warf Catherine einen ironischen Blick zu. »Seien Sie nett zu ihnen, Kumpel. Diese Tussis schmeißen den Laden hier.«
Catherine hätte sich nie leichtfertig zu einer Amputation entschlossen. Wenn ein Glied gerettet werden konnte, tat sie alles in ihrer Macht Stehende, um es wieder anzunähen. Aber als sie eine halbe Stunde später mit dem Skalpell in der Hand im OP stand und auf die kläglichen Überreste des rechten Beins ihres Patienten herabblickte, stand die Entscheidung fest. Die Wade war zu Brei zerquetscht, Schien- und Wadenbein völlig zersplittert. Nach dem unverletzten linken Bein zu urteilen, war auch das rechte einmal wohlgeformt, muskulös und zu einem tiefen Bronzeton gebräunt gewesen. Auf dem nackten Fuß – der trotz seiner entsetzlich verdrehten Position erstaunlich unversehrt war – hatten Sandalenriemen helle Streifen hinterlassen, und unter den Zehennägeln war Sand. Sie mochte diesen Patienten nicht, und seine Flüche und die Beleidigungen, die er in seinem Schmerz den anderen Frauen vom Krankenhausteam entgegengeschleudert hatte, waren ihr gegen den Strich gegangen; doch als ihr Skalpell durch sein Fleisch fuhr und einen hinteren Hautlappen formte und als sie dann die scharfen Kanten von Schien- und Wadenbein absägte, da überkam sie ein Gefühl tiefer Traurigkeit.
Die OP-Schwester nahm das abgetrennte Bein vom Tisch und hüllte es in ein Tuch. Ein Fuß, der noch vor kurzem die Wärme des Sandes am Strand gefühlt hatte, würde nun bald nur noch ein Haufen Asche sein, verbrannt wie all die anderen geopferten Organe und Gliedmaßen, die den Weg in die Pathologie des Krankenhauses nahmen.
Nach der Operation fühlte sie sich niedergeschlagen und ausgelaugt. Als sie endlich die Handschuhe und den Kittel abgestreift hatte und den OP verließ, war sie nicht gerade in der Stimmung für eine Begegnung mit Jane Rizzoli, die sie draußen erwartete.
Sie ging zum Waschbecken, um sich den Geruch von Talkumpuder und Latex von den Händen zu waschen. »Es ist Mitternacht, Detective. Schlafen Sie eigentlich nie?«
»Wahrscheinlich so viel wie Sie. Ich habe ein paar Fragen an Sie.«
»Ich dachte, Sie sind den Fall los.«
»Diesen Fall wird man mir nicht wegnehmen, ganz gleich, was irgendwer sagt.«
Catherine trocknete sich die Hände ab und wandte sich zu Rizzoli um. »Sie können mich nicht besonders gut leiden, habe ich Recht?«
»Ob ich Sie mag oder nicht, ist unwichtig.«
»Hab ich irgendetwas Falsches
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