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Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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eines nagelneuen Gebäudekomplexes am Schroeder Plaza in dem etwas rauen Bostoner Stadtviertel Roxbury. Die Polizisten tauften ihr neues Quartier »Marmorpalast« in Anspielung auf die reichliche Verwendung von poliertem Granit in der Eingangshalle. »Gebt uns ein paar Jahre, um die Bude zu ruinieren, und wir werden uns hier wie zu Hause fühlen«, lautete der Standardwitz. Das Haus am Schroeder Plaza hatte wenig Ähnlichkeit mit den schäbigen Polizeirevieren, die man in Fernsehkrimis zu sehen bekommt. Es war elegant, modern, und dank großer Fenster und Oberlichter auch sehr hell. Die Räume der Mordkommission hätten mit ihren Teppichböden und Computerarbeitsplätzen auch als Büro einer Großfirma durchgehen können. Was den Beamten an ihrem neuen Quartier am besten gefiel, war die Zusammenführung der diversen Abteilungen des Boston Police Department.
    Für die Detectives der Mordkommission bedeutete ein Besuch im gerichtsmedizinischen Labor nur noch einen Spaziergang den Flur entlang zum Südflügel des Gebäudes.
    In der Abteilung, die für die Haar- und Faseranalysen zuständig war, sahen Moore und Rizzoli zu, wie Erin Volchko, eine der Laborantinnen, einen Stoß Umschläge mit Beweismaterial durchging. »Ich hatte nur ein einziges Haar als Ausgangsbasis«, sagte Erin. »Aber es ist verblüffend, was ein einzelnes Haar einem alles verraten kann. So, da haben wir ihn.« Sie hatte den Umschlag mit Elena Ortiz’ Fallnummer gefunden und entnahm ihm einen Objektträger. »Ich zeige Ihnen mal, wie das unter dem Mikroskop aussieht. Die Werte haben Sie ja in dem Bericht.«
    »Sie meinen diese Zahlen hier?«, fragte Rizzoli und sah auf das Blatt mit der langen Reihe von kodierten Ziffernfolgen herab.
    »Richtig. Jeder Code beschreibt eine bestimmte Eigenschaft des Haares, von der Farbe und Kräuselung bis hin zu mikroskopischen Charakteristika. Dieses Haar hier ist vom Typ A01 – dunkelblond. Die Kräuselung ist B01. Gebogen, mit einem Lockendurchmesser von unter 80. Fast gerade, aber nicht ganz. Die Schaftlänge beträgt sechs Zentimeter. Leider befindet sich dieses Haar gerade in der Telogenphase, es weist also kein Epithelgewebe auf.«
    »Und das heißt, es gibt keine DNS.«
    »Stimmt. Das Telogen ist die abschließende Phase des Wurzelwachstums. Dieses Haar ist auf natürliche Weise ausgefallen, im Rahmen der normalen Haarerneuerung. Mit anderen Worten, es wurde nicht ausgerissen. Befänden sich Epithelzellen an der Wurzel, dann könnten wir die Zellkerne für eine DNS-Analyse verwenden. Aber dieses Haar weist keine solchen Zellen auf.«
    Rizzoli und Moore wechselten enttäuschte Blicke.
    »Aber«, fügte Erin hinzu, »wir haben hier etwas, das schon verdammt gut ist. Nicht so gut wie DNS, aber es könnte vor Gericht standhalten, wenn Sie einmal einen Verdächtigen am Wickel haben. Es ist wirklich schade, dass wir keine Haare aus dem Sterling-Fall zum Vergleich haben.«
    Sie stellte das Mikroskop scharf und trat dann rasch beiseite.
    »Werfen Sie mal einen Blick darauf.«
    Es war ein Lehrmikroskop mit zwei Okularen, sodass Rizzoli und Moore das Objekt gleichzeitig in Augenschein nehmen konnten. Was Moore sah, als er durch die Linse blickte, war ein einzelnes Haar, das mit winzigen Knötchen besetzt war.
    »Was sind das für kleine Verdickungen?«, fragte Rizzoli.
    »Das ist doch nicht normal.«
    »Es ist nicht nur nicht normal, es ist auch sehr selten«, erwiderte Erin. »Es handelt sich um eine Erkrankung namens Trichorrhexis invaginata, auch bekannt als »Bambushaar«. Sie sehen, wie es zu diesem Namen kam. Diese kleinen Knoten lassen es wie ein Bambusrohr aussehen, nicht wahr?«
    »Was sind das für Knötchen?«
    »Das sind fokale Schädigungen der Haarfaser. Schwachstellen, an denen sich der Haarschaft zurückstülpen kann, sodass so etwas wie ein Kugelgelenk entsteht. Diese kleinen Ausbeulungen sind die besagten Schwachstellen, an denen sich der Schaft wie ein Teleskop zusammengeschoben und nach außen gewölbt hat.«
    »Wie entsteht diese Schädigungen?«
    »Gelegentlich kommt es dazu, wenn das Haar zu intensiv behandelt wird. Durch Färben, Dauerwellen und dergleichen. Aber da wir es höchstwahrscheinlich mit einem männlichen Täter zu tun haben und da ich keine Anzeichen für eine künstliche Bleichung erkennen kann, neige ich zu der Annahme, dass es sich nicht um das Resultat einer Haarbehandlung handelt, sondern um irgendeine genetische Anomalie.«
    »Wie zum Beispiel?«
    »Netherton-Syndrom etwa.

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