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Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Angriffspunkt für seinen Spott liefern.
    »Sie wissen doch, dass dieser Fall noch einen ganz speziellen Aspekt hat?«, bemerkte Moore. »Dr. Catherine Cordell.«
    Zucker nickte. »Das überlebende Opfer aus Savannah.«
    »Gewisse Details der von Andrew Capra begangenen Morde sind nie veröffentlicht worden. Die Verwendung von Katgut als Nahtmaterial. Das Zusammenfalten der Nachthemden der Opfer. Und doch imitiert unser Täter hier genau diese Einzelheiten.«
    »Es kommt vor, dass Mörder miteinander kommunizieren. Das ist so eine Art perverse Bruderschaft.«
    »Capra ist seit zwei Jahren tot. Er kann mit niemandem mehr kommunizieren.«
    »Aber vielleicht hat er unserem Täter die grausigen Details verraten, als er noch am Leben war. Das ist die Erklärung, von der ich hoffe, dass sie zutrifft. Denn die Alternative ist wesentlich beunruhigender.«
    »Dass unser Täter Zugang zu den Polizeiakten von Savannah hatte.«
    Zucker nickte. »Was bedeuten würde, dass es sich um einen Polizisten handelt.«
    Es wurde totenstill im Raum. Rizzoli konnte nicht umhin, sich die Gesichter ihrer Kollegen anzuschauen – allesamt Männer. Sie dachte über den Typ Mann nach, der sich zur Polizeiarbeit hingezogen fühlt. Den Typ Mann, der von Macht und Autorität fasziniert ist, von Waffen und Dienstmarken. Von der Möglichkeit, Kontrolle über andere auszuüben. Genau das, wonach unser unbekannter Täter giert.
     
    Als die Sitzung sich auflöste, wartete Rizzoli, bis die anderen Beamten das Besprechungszimmer verlassen hatten, bevor sie an Zucker herantrat.
    »Kann ich dieses Foto vorläufig behalten?«, fragte sie.
    »Dürfte ich fragen, wieso?«
    »Ich habe da so eine Ahnung.«
    Zucker sah sie mit seinem unheimlichen John-Malkovich-Lächeln an. »Verraten Sie sie mir?«
    »Ich behalte meine Ahnungen lieber für mich.«
    »Sind Sie abergläubisch?«
    »Ich verteidige nur mein Revier.«
    »Diese Ermittlung wird im Team durchgeführt.«
    »Mit der Teamarbeit ist das so eine Sache. Sobald ich mit jemandem über meine Ahnungen spreche, heimst ein anderer die Punkte ein.« Mit dem Foto in der Hand stürmte sie aus dem Zimmer, und kaum war sie draußen, da bereute sie schon diese letzte Bemerkung. Dabei hatte sie sich doch schon den ganzen Tag lang über ihre männlichen Kollegen aufgeregt, über ihre beiläufigen Äußerungen und Sticheleien, die sich alle zu einem Muster zusammenfügten – und das Muster hieß Geringschätzung. Die Vernehmung von Elena Ortiz’ Nachbarin, die sie und Darren Crowe zusammen durchgeführt hatten, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Crowe hatte Rizzoli wiederholt bei ihren Fragen unterbrochen, um seine eigenen zu stellen. Als sie ihn aus dem Zimmer gezerrt und wegen seines Verhaltens zur Rede gestellt hatte, da hatte er ihr die klassische chauvinistische Beleidigung entgegengeschleudert.
    »Sind wohl wieder mal die gewissen Tage, was?«
    Nein, sie würde ihre Ahnungen für sich behalten. Wenn sich herausstellte, dass sie damit schief lag, konnte sich wenigstens niemand über sie lustig machen. Und wenn sie Früchte trugen, würde sie die Anerkennung beanspruchen, die ihr gebührte.
    Sie kehrte an ihren Arbeitsplatz zurück und setzte sich an den Schreibtisch, um sich Diana Sterlings Abschlußfoto noch einmal genauer anzusehen. Als sie nach ihrer Lupe griff, blieb ihr Blick an der Mineralwasserflasche haften, die sie immer auf ihrem Schreibtisch stehen hatte, und sie begann innerlich vor Wut zu kochen, als sie sah, was in der Flasche steckte.
    Nicht reagieren, sagte sie sich. Lass dir nicht anmerken, dass sie dich getroffen haben.
    Sie ignorierte die Flasche samt ihrem widerlichen Inhalt und betrachtete Diana Sterlings Hals durch das Vergrößerungsglas. Sie konnte Darren Crowes Blick fast körperlich spüren. Er wartete nur darauf, dass sie explodierte.
    Dazu wird es nicht kommen, du Arschloch. Diesmal werde ich mich beherrschen.
    Sie fixierte Dianas Halskette. Fast hätte sie dieses Detail übersehen, denn es war das Gesicht, das anfänglich ihre Aufmerksamkeit gefesselt hatte; diese prächtigen Wangenknochen, die sanft geschwungenen Augenbrauen. Jetzt betrachtete sie eingehend die beiden Anhänger, die an der fein gearbeiteten Kette befestigt waren. Einer hatte die Form eines Schlosses, der andere war ein winziger Schlüssel. Der Schlüssel zu meinem Herzen, dachte Rizzoli.
    Sie blätterte die Akten auf ihrem Schreibtisch durch und fand das Tatortfoto von dem Mord an Elena Ortiz.

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