Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
»Du vergißt dich, junge Frau. Du hast kein Recht, so zu deinem ältesten Bruder zu reden. Wir standen eigenen Gefahren auf unserer Reise gegenüber. Er hat seine Pflicht und seine Verantwortung nicht vergessen, so wie auch Gilthanas. Sie sind nicht hinter einem Halb-Elfen-Bastard hinterhergerannt wie eine schamlose menschliche Hu . . .« Die Stimme brach plötzlich ab.
Laurana wurde leichenblaß. Sie schwankte, hielt sich am Tisch fest. Gilthanas erhob sich schnell, um ihr zu helfen, aber sie schob ihn weg. »Vater«, sagte sie in einer Stimme, die sie nicht als ihre eigene erkannte, »was wolltest du sagen?«
»Laß es, Laurana«, bat Gilthanas. »Er meint es nicht so.Wir werden morgen früh weiterreden.«
Die Stimme sagte nichts, sein Gesicht war grau und kalt.
»Du wolltest ›menschliche Hure‹ sagen!« sagte Laurana leise.
»Geh in dein Nachtquartier, Laurana«, befahl die Stimme.
»So denkst du also über mich«, flüsterte Laurana mit ihrer rauhen Kehle. »Darum starren mich alle an und hören zu sprechen auf, wenn ich mich nähere. Menschliche Hure.«
»Schwester, gehorche deinem Vater«, sagte Porthios. »Und du solltest nicht vergessen, es ist deine Schuld, daß wir über dich so denken.Was erwartest du? Sieh dich doch nur an, Laurana! Du bist wie ein Mann gekleidet. Du trägst stolz ein blutbeflecktes Schwert. Du redest ungezwungen über eure ›Abenteuer‹! Mit solchen Leuten reisen – mit Menschen und Zwergen!
Die Nächte mit ihnen verbringen. Die Nächte mit deinem Bastardliebhaber verbringen.Wo ist er? Ist er deiner überdrüssig und . . .«
Der Schein des Feuers flackerte vor Lauranas Augen. Die Hitze flutete über ihren Körper, wurde von einer schrecklichen Kälte abgelöst. Sie konnte nichts mehr sehen und erinnerte sich nur an ein schreckliches Gefühl des Fallens, ohne in der Lage zu sein, sich zu fassen. Stimmen drangen weit entfernt auf sie ein, verzerrte Gesichter beugten sich über sie.
»Laurana, meineTochter . . .«
Dann war nichts mehr.
»Herrin. . .«
»Was? Wo bin ich? Wer bist du? Ich . . . ich sehe nichts! Hilf mir!«
»Hier, Herrin. Nimm meine Hand. Pssst. Ich bin hier. Ich bin Silvara. Erinnerst du dich?«
Laurana spürte sanfte Hände über ihre eigenen streichen, als sie sich aufsetzte.
»Kannst du das trinken, Herrin?«
Ein Becher wurde an ihre Lippen gehalten. Laurana nippte daran, schmeckte klares, kühles Wasser. Sie ergriff den Becher und trank gierig, da es ihr fiebriges Blut kühlte. Die Kräfte kehrten zurück, sie konnte wieder sehen. Eine kleine Kerze brannte neben ihrem Lager. Sie war in ihrem Zimmer im Haus ihres Vaters. Ihre Kleider lagen auf einer rohen Holzbank, Schwertgürtel und Scheide lagen daneben, ihr Rucksack stand auf dem Boden. An einem Tisch gegenüber von ihrem Bett saß eine Zofe, ihr Kopf war in ihre Arme eingebettet, sie schlief tief und fest.
Laurana wandte sich zu Silvara, die ihre Finger an die Lippen legte, da sie die Frage in ihren Augen sah.
»Sprich leise«, sagte die Wild-Elfe. »Oh, nicht wegen ihr« – Silvara warf dem Mädchen einen kurzen Blick zu –, »sie wird viele, viele Stunden friedlich schlafen, bevor die Wirkung nachläßt. Aber im Haus sind andere, die vielleicht wachsam sind. Fühlst du dich besser?«
»Ja«, antwortete Laurana verwirrt. »Ich erinnere mich nicht. . .«
»Du bist ohnmächtig geworden«, antwortete Silvara. »Ich habe sie reden gehört, als sie dich hierhertrugen. Dein Vater ist wirklich bekümmert. Er meinte diese Vorwürfe nicht so. Es ist nur so, daß du ihn schrecklich verletzt hast . . .«
»Wie konntest du das hören?«
»Ich hatte mich im Schatten einer Nische versteckt. Für mein Volk ist das keine Kunst. Die alte Zofe sagte, daß mit dir alles in Ordnung sei und du nur Ruhe bräuchtest, dann gingen sie.Als sie eine Decke holen ging, mischte ich den Schlafsaft in ihren Tee.«
»Warum?« fragte Laurana. Als sie das Mädchen genauer betrachtete, sah sie, daß die Wild-Elfe eine wunderschöne Frau war – oder sein könnte, wenn die Schmutzschichten von ihr gewaschen wären.
Silvara bemerkte Lauranas prüfenden Blick und errötete vor Verlegenheit. »Ich . . . ich bin von den Silvanesti weggelaufen, Herrin, als sie euch über den Fluß brachten.«
»Laurana. Bitte, Kind, nenn mich Laurana.«
»Laurana«, korrigierte sich Silvara errötend. »Ich . . . ich bin gekommen, um dich zu bitten, mich mitzunehmen, wenn ihr hier aufbrecht.«
»Aufbrechen?« fragte Laurana. »Ich
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