Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
alle drei.
Der Magier verschwand in einem Feuerblitz und überließ die drei Männer sich selbst.
„Was hast Du gemacht?“, wollte Sarn wissen. „Wolltest Du tatsächlich fliehen?“
Erich zuckte niedergeschlagen mit den Schultern und ließ sich ins Heu sinken. Er hatte nicht die Kraft wieder aufzustehen.
„Flucht ist nicht möglich.“, sagte der Halken, der die ganze Sache recht gelassen betrachtete. „Nicht vor dem Schicksal.“
„ Dieser Magier ist nicht das Schicksal.“, erwiderte Sarn.
„ Heute schon.“
Sarn machte Erich keine Vorwürfe. Er sagte überhaupt nichts zu diesem Vorfall, selbst wenn es bedeutete, dass sie ihre Notdurft in einen Eimer verrichten mussten und den ganzen Tag kein anderes Lebewesen als die Ziegen zu Gesicht bekamen. Da wir nichts anderes tun konnten als darauf zu warten, was der Magier mit uns vor hatte und dem Halken dabei zuzusehen, wie er Tag für Tag wieder an Stärke gewann, begann Sarn Würfel zu schnitzen. Die Hürnin verbrachten die meiste Zeit damit Hort zu spielen, ein altes Spiel, dessen Ziel es war, seine eigenen Würfel Zug um Zug an die des Gegners heranzubringen, indem man sie über eine der Kanten rollte. Derjenige, der es schaffte seinen Würfel mit einer höheren Augenzahl direkt neben einen Würfel eines Gegners zu bringen, durfte den gegnerischen Würfel behalten. Sieger war derjenige, der nach und nach alle Würfel in seinem Hort vereinigen konnte.
Darüber vergingen mehrere Tage. Der Magier versorgte sie regelmäßig mit Essen aber in ihren Tagesablauf brachte nur eines Abwechslung und darauf hätte Erich am liebsten verzichtet: seine Visionen.
Sie besaßen keine Regelmäßigkeit, waren nicht vorhersehbar, aber es war dennoch schnell klar, dass sie häufiger wurden.
Die nächsten beiden Visionen ließen einige Zeit auf sich warten, zeigten Erich aber nur, wie Knochenfrüchte in einer Festung und einer kleinen Stadt Stellung bezogen, doch die dritte beunruhigte uns alle sehr.
Kapitel 14 – Saat der Zerstörung
Erich war wieder in Lazara, aber er hätte den Ort beinahe nicht wiedererkannt, denn die Stadt hatte sich verändert. Die Straßen waren voller Soldaten und aus seinem Blickwinkel aus den Augen einer Knochenfrucht konnte er sehen, dass sich vor der Stadt unzählige Zelte ausbreiteten. Zwischen den Zelten konnte er hunderte von Knochenfrüchten sehen.
„ Der Scharif rüstet sich zum Krieg.“, kommentierte Sarn das, was Erich darüber zu berichten hatte. „Schade dass Du die Visionen nicht kontrollieren kannst, sonst könnten wir mehr darüber herausbekommen, wo er seine Truppen stationiert. Ich glaube zwar nicht, dass Hornhus gefährdet ist, aber in einem Krieg sind die unerwarteten Wege manchmal die einzig richtigen.“
Die nächste Vision ließ nicht lange auf sich warten. Es waren fast vierzig Tage vergangen, seit wir aus Hornhus aufgebrochen waren, aber es kam mir viel länger vor. Und das lag nicht allein daran, dass mein Zeitgefühl nicht so ausgeprägt war wie das der Hürnin. Diese Vision zeigte uns, dass das Rad des Schicksals andernorts nicht stillstand, während wir hier nur darauf warten konnten, dass es sich auch für uns weiterdrehte.
Das Neue an der nächsten Vision war, dass Erich direkt in einen Kampf geschleudert wurde und während der Schlacht, die um ihn herum tobte, mehrmals den Körper wechselte. Erst begriff er nicht, was geschah, aber dann gewöhnte er sich an die plötzlichen Brüche in seiner Wahrnehmung. Ein Dutzend Knochenfrüchte und ungefähr vier mal so viele Fußsoldaten waren in einem Wald in einen Hinterhalt geraten. Erich konnte erkennen, dass unter der Vorhut der Boden nachgegeben hatte und einige Männer in eine Grube mit angespitzten Pfählen gestürzt waren. Die Knochenfrucht, in der er sich anfangs befand, war gerade dabei einen Gang auszugraben, in dem sich die Angreifer verborgen hatten. Erich konnte sehen, dass ein Pfeil aus einem der Arme der Knochenfrucht ragte, der sie aber nicht im Geringsten behinderte. Wie ein Hund schleuderte sie Erde und Wurzeln beiseite und stieß nach etwa zwei Metern auf Holzbalken und einen Metallstachel, der ihr aus der Dunkelheit heraus entgegen geschleudert wurde. Die Knochenfrucht hielt kurz inne, um sich den kurzen Speer aus dem Fleisch zu ziehen und setzte ihre Arbeit dann fort. In der niedrigen Höhle hatte sich ein bärtiger Mann verschanzt, der die Knochenfrucht voll Angst aber auch voller Entschlossenheit erwartete. Er schlug seine Hände
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