Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
von ihnen berührte es mit seiner Hand und Erich sah, wie sich Blut darauf ausbreitete. Dann erschien ein Gesicht, das Erich nur zu gut kannte, weil er es in Hornhus beinahe jeden Tag gesehen hatte: Das Gesicht von Sigwar. Dämonisch verzerrt aber doch klar zu erkennen.
Es erschien nicht einfach nur auf der Leinwand, sondern schob sich gespeist von Blut plastisch nach außen.
Als das Gesicht die Augen öffnete, um sich umzusehen, wechselte Erich instinktiv die Knochenfrucht, wie er es getan hatte, als er keine weitere Gewalt und keine Verstümmelungen mehr sehen wolle. Der Blick des Dämons aus dem Bild erreichte einen Ort in Erich, der nicht weit entfernt von Urängsten wie der vor Feuer oder großen Raubtieren lag. Wenn schon das Bild des Dämons, der uns darin erschien diese Wirkung haben konnte, wie schrecklich musste es dann erst sein ihm selbst gegenüberzustehen? Und warum hatte er sich ausgerechnet das Antlitz Sigwars ausgesucht, um daraus zu sprechen?
Auch von dem, was der Dämon sagte, verstand Erich kein Wort, aber aus der Körpersprache der Männer des Scharif konnte er ablesen, dass es nichts enthielt, was ihnen zusagte. Sie hatten die Arme verschränkt oder hielten die Hände in Nähe ihrer Waffen. Ein offener Konflikt lag in der Luft. Der Körper von Erichs Knochenfrucht reagierte auf ein Zeichen, das einer der Männer ihm gab und machte sich zum Sprung bereit. Auch die anderen Knochenfrüchte veränderten kaum wahrnehmbar ihre Körperhaltung.
Und dann griffen sie an.
Wie eine Lawine aus schwarzem Fleisch brandeten die missgestalteten Wesen über die Männer mit der Sänfte hinweg und rissen sie buchstäblich in Stücke, bevor diese auch nur die Gelegenheit hatten an Flucht zu denken.
Eigenartigerweise schien es aber, als ob sie überhaupt nicht im Sinn gehabt hatten zu fliehen. Sie waren noch nicht einmal zusammengezuckt, als der Angriff begann. Warum, sah Erich wenige Sekunden später. Blut spritzte aus ihren toten Körpern auf wie eine Fontäne und zwischen den unschlüssig herumstehenden Knochenfrüchten sammelte es sich zu einem schwammähnlichen Klumpen, in dem noch die verstümmelten Reste der Sänftenträger schwammen. Was danach geschah war ein noch schlimmeres Gemetzel als der Angriff der Scharifoi. Mit der Kraft eines Sägeblatts wirbelte das zähflüssige Blut herum und zerfetzte die herumstehenden Knochenfrüchte mit Knochensplittern und den scharfkantigen Bruchstücken der Sänfte. Erichs Knochenfrucht wurde von einem Holzstück getroffen und einige Schritte zurückgeschleudert. Sie rappelte sich wankend wieder auf, aber als sie wieder auf ihren Beinen stand, war der Gegenangriff vorbei.
Als der unmittelbare Bereich um das Zentrum des Angriffs von Knochenfrüchten befreit war, hielt der Klumpen plötzlich inne und erneut erschien das Gesicht von Sigwar im wogenden Blut, diesmal um ein Vielfaches größer. Es zeigte keine Gemütsregung und hatte auch nicht viel zu sagen. Nach wenigen Worten verschwand es und das Blut stürzte in sich zusammen. Auf dem weißen Boden blieb nur eine widerwärtige Pfütze zurück auf deren Oberfläche zähflüssige Blasen zerplatzen.
Aber damit war die Vision keineswegs zu Ende. Die Männer des Scharif schienen mit diesem Ausgang der Unterredung gerechnet zu haben, denn als sie ihre Waffen wieder wegsteckten, stand ihnen der Schreck zwar deutlich ins Gesicht geschrieben, aber irgendwie wirkten sie auch erleichtert. Sie riefen die verbliebenen Knochenfrüchte zusammen, aber Erich blieb wo er war. Der Körper, in dem er steckte, hatte einiges abbekommen und auch wenn er es nicht sehen konnte, spürte Erich, dass diese Knochenfrucht nicht mehr lange durchhalten würde.
Auch die Männer des Scharif hatten die Knochenfrucht nach einem Blick auf sie abgeschrieben, denn sie schwangen sich auf ihre Kamele ohne sie weiter zu beachten.
Erich blieb allein im Körper der sterbenden Knochenfrucht zwischen den Säulen zurück und fast spürte er so etwas wie Mitleid für dieses Wesen, das sein Dasein allein an einem Ort beenden musste, an dem es nicht willkommen war. Plötzlich gab irgendwo eines der Gelenke nach, aber mit einem unbeholfenen Schritt behielt die Knochenfrucht das Gleichgewicht. Ihr Blick war nun auf die Basis des Turms gerichtet, die hinter den Vorbauten mit ihren Säulenhallen verschwand. Aus irgendeinem Grund ging die Knochenfrucht noch einen weiteren Schritt auf das Gebäude zu, dann noch einen und noch einen dritten. Dann aber erreichte sie die
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