Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
zusammen, in denen er irgendetwas bereit gehalten hatte und plötzlich ging der Boden der Höhle in Flammen auf. Während der Mann versuchte durch einen schmalen Tunnel an der Rückwand davon zu kriechen, schlugen die Flammen über der Knochenfrucht zusammen, die dadurch für einen Moment geblendet war. Aber das reichte nicht sie aufzuhalten. Wütend zwängte sie ihren massigen Oberkörper weiter in die Höhle hinein und schob eine Klaue in den Gang. Erich verließ ihren Körper, als sich die Klauen um den tretenden und strampelnden Fuß des fliehenden Mannes schlossen.
Die zweite Szene, die er miterlebte, fand unter freiem Himmel statt. Die Straße, der die Knochenfrüchte und die Soldaten gefolgt waren, öffnete sich auf eine langgezogene Lichtung hinaus und am Waldrand verfolgte eine Knochenfrucht eine Gruppe von Peregrin. Die Männer waren nur leicht bewaffnet und rannten so schnell sie konnten, um von der Knochenfrucht wegzukommen, aber was ihr an Schnelligkeit fehlte, machte sie mit einem Baumstamm wett, den sie als Keule benutzte. Jedes Mal wenn der schwere Wurzelstock auf dem Boden auftraf, spritzten Erde und Holzsplitter in alle Richtungen weg und allein die Erschütterung reichte aus um manche der Männer von den Beinen zu holen. Auch hier wechselte Erich plötzlich seinen Betrachtungsposten, kurz bevor die Keule auf einen der Männer niedersauste, der es nicht mehr rechtzeitig geschafft hatte sich wieder aufzurappeln. Vielleicht reichte die Angst vor dem grauenvollen Anblick um Erich in den Körper einer anderen Knochenfrucht zu schleudern, vielleicht war es aber auch nur ein gütiges Schicksal.
So schrecklich wie das ungeordnete Gemetzel um ihn herum auch war, Erich lernte etwas dabei: Er konnte zwar seine Vision nicht stoppen, aber wenn das Gefühl des Widerwillens zu stark wurde, schaffte er es den Körper einer Knochenfrucht zu verlassen, um sich darauf in einer anderen Knochenfrucht wiederzufinden.
Schließlich schaffte er es den Wechsel willentlich herbeizuführen. Er wusste zwar nicht in welchem Körper er sich wiederfinden würde, aber wenn er das Geschehen wirklich aus den Augen einer bestimmten Knochenfrucht miterleben wollte, dann konnte er die Scharifoi so lange wechseln, bis er schließlich die richtige erwischte. Er konzentrierte sich so sehr darauf, wie es ihm am besten gelingen konnte zwischen den Knochenfrüchten zu wechseln, dass er vom Kampf kaum etwas mitbekam. Als sein Bewusstsein schließlich wieder in seinen eigenen Körper zurückkehrte, konnte er nur mit Sicherheit sagen, dass die Seite des Scharif diesen Kampf gewonnen hatte, wenn auch mit großen Verlusten.
„Die Wanderfalken versuchen den Scharif zu zermürben.“, kommentierte Sarn. „Kleine, unerwartete Angriffe, die seine Bewegungen stören und ihn dazu zwingen ständig wachsam zu bleiben.“
Er erzählte noch mehr über die Kniffe der Kriegsführung, aber ich hörte nicht zu. Was während Erichs Fluchtversuch passiert war, beschäftigte mich noch immer und auch Erich, denn er wusste sofort was ich meinte, als ich ihn später darauf ansprach.
„Ich habe das Gefühl, dass ich mich irgendwie verändere. Nicht nur die Sache bei der Flucht, als wir beide in mir waren, sondern auch die Visionen. Sie werden immer … wirklicher. So als würde ich irgendwann gar nicht mehr wissen, dass nicht ich das alles erlebe, sondern nur eine Knochenfrucht. Das macht mir ein wenig Angst. Mag sein, dass ich wirklich eine Gewisse Kontrolle über die Knochenfrüchte habe, aber was ist, wenn sie auch Kontrolle über mich bekommen?“
Ich wollte nicht zugeben, dass das auch mich beunruhigte. Sollte ihm in einer der Visionen aus irgend einem Grund etwas zustoßen, dann gab es keine Möglichkeit, wie ich ihm helfen konnte. Aber zumindest konnte ich die Visionen mit ihm teilen. Und wenn er recht hatte und eine Veränderung mit ihm vor sich ging, dann betraf sie vielleicht auch mich und ich konnte doch irgendwann lernen in seine Visionen einzugreifen.
Die nächste längere Vision zeigte ihm Knochenfrüchte und Zwangsarbeiter, die unter der Aufsicht von Männern mit Ziegenhörnerhelmen eine Mauer errichteten. Die Scharifoi schleppten große Körbe mit Steinen heran, welche die Männer aufeinander schichteten und mit Lehm verbanden. Das Land vor der Mauer war baumlos und die Berge weit entfernt, Erich vermutete, dass sich diese Szene irgendwo im Westen abspielen musste. Da es keine Möglichkeit gab, die Aufmerksamkeit der Knochenfrucht
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