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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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mir.“, forderte er ein weiteres Mal, aber ich konnte ihm dieses Versprechen nicht geben. Es widersprach allem, was ich für richtig hielt.
    Erich stieß enttäuscht die Luft aus. „Dann muss ich jemand anderen finden, der mir diese Bitte erfüllen kann.“
    Er wandte sich ab und lief wie eine Katze auf der schneebedeckten Mauerkrone entlang. An einigen Stellen brachen unter ihm Steine weg, aber er schaffte es wohlbehalten auf die andere Seite, sprang auf ein tiefer liegendes Dach und von dort hinunter in den Schnee. Nach einer Schrecksekunde folgte ich ihm
    „ Was habt Ihr vor? Wo wollt Ihr hin, Herr? “
    „ Weg von hier.“, antwortete Erich. Ich verstand nicht, was so plötzlich in ihn gefahren war. Sein Wesen schien sich von einem Tag auf den anderen völlig verändert zu haben. Zweifel und Stimmungsschwankungen hatte ich schon früher bei ihm erlebt, aber dass er sich einfach so allein und ohne Sarn Bescheid zu geben auf den Weg machen wollte, war undenkbar gewesen. Wir waren schon zu weit vom Stall entfernt, um ihn jetzt noch über Erichs plötzlichen Aufbruch zu verständigen, also blieb mir nichts anderes übrig als Erich zu folgen.
    Er kam nicht weit. Bevor er durch eine Lücke in der Außenmauer klettern konnte, erstarrte er plötzlich und kippte nach hinten in den Schnee. Ich konnte ein Aufblitzen im Kristallgefüge erkennen, dann war wieder alles ruhig. Erich stöhnte.
    „ Was ist passiert? Habt Ihr Schmerzen? “
    „ Du musst meinen Körper nehmen.“, presste Erich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Bring mich nach draußen.“
    Verwirrt schlüpfte ich in Erichs Körper und sah, was der Schutzzauber angerichtet hatte. Die Muskeln in seinen Armen und Beinen waren so taub als wären sie stundenlang von aller Blutzufuhr abgeschnitten geblieben. So sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte ihn nicht aufrichten. Ich schaffte es noch nicht mal einen Arm zu heben. Aber dafür bemerkte ich etwas anderes: Erich war bei mir.
    Er konnte seine Glieder zwar ebenso wenig bewegen wie ich, aber wir steckten beide in seinem Körper. Kaum war mir das klar geworden, als ich auch schon wieder hinausgeschleudert wurde.
    Der Magier war bei uns.
    Und er war wütend.
    „ Hinaus mit dir, Dämon!“, rief er wutentbrannt und wischte mich mit einer Handbewegung von Erich weg. Ich wurde nicht nur beiseite geschleudert, sondern konnte auch das Brennen fühlen, das sein Zauber verursacht hatte. Ohne darüber nachzudenken eilte ich zurück, um mich zu wehren, aber der immer noch aktive Zauber stoppte mich wie eine Flammenwand. Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich Schmerz ohne dass ich einen Körper besaß. Es machte mir Angst.
    Der Magier packte Erich am Kragen und zog ihn auf die Beine. „Dachtest wohl du könntest einfach so hier raus spazieren.“, knurrte er. „Du kannst von Glück reden, dass du noch lebst. Glaub nicht, dass du ein weiteres Mal genauso viel Glück haben wirst!“
    Feuer flammte auf und mit einem Mal waren mein Herr und der Zauberer verschwunden.
    Ich war allein.
    Für einen Moment setzte alles rationale Denken aus und tief in meinen Inneren spross eine Pflanze aus einem Samenkorn, von dem ich nicht gewusst hatte, dass es überhaupt existierte. Wie Zweige und Blätter wuchsen uralte Instinkte zu erschreckender Größe und für einem Moment geschah etwas mit mir, das ich nicht beschreiben konnte. Heute weiß ich, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben erfuhr wie es war nicht mehr den Beschränkungen des Paktes unterworfen zu sein.
    Für den winzigen Augenblick, in dem diese Empfindung anhielt, fühlte ich mich zugleich mächtig und verletzlich. Ich konnte die Kälte des Schnees unter meinen Füßen spüren, den Wind und alles, was ich sah, kam mir vor wie in Stein gemeißelt, so deutlich stand es mir vor Augen. So schnell wie ich die Verbindung mit meinem Herrn verloren hatte, so schnell fand ich sie wieder und wusste, dass der Mager Erich zurück in den Stall gebracht hatte. Ich war bei ihm, bevor Sarn und der Halken begriffen, worüber der Magier, der plötzlich mit Erich aufgetaucht war sich ereiferte.
    Er untersagte ihnen den Stall zu verlassen oder auf den Mauern herumzuklettern und er drohte ihnen tausend unangenehme Dinge an, falls noch einmal einer von ihnen versuchen sollte zu fliehen. Seltsamerweise drohte er nicht damit einfach denjenigen sterben zu lassen, der bei einem Fluchtversuch in eine seiner magischen Fallen lief. Er schien die Hürnin wirklich zu brauchen. Und zwar

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