Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
dort, in der man einige Vorräte lagerte. Sie war geschickt wie ein Schneckenhaus immer tiefer in den Fels hinein erweitert worden, so dass einige Wagenladungen Eis, das man am Ende des Winters aus dem Bach in der Nähe holte und an den Wänden der Höhle ablegte, genügten, um verderbliche Vorräte sicher über den Sommer zu bringen.
Erich fand die Höhle nicht auf Anhieb. Er war zwar einige Male dort gewesen, aber immer nur aus Richtung des Dorfes und nicht von der Waldseite her, deshalb brauchte er Stunden, bis er sie schließlich finden konnte.
Er hätte sie besser nicht gefunden.
Die Tür, welche die Höhle vor wilden Tieren schützte, stand offen und aus dem Eingang kräuselte sich eine dünne Rauchfahne. Erich atmete auf und beschleunigte seinen Schritt. Er rief ein erleichtertes Hallo und im Höhleneingang tauchten kurz darauf zwei bärtige Gesichter auf.
Dann flog auch schon aus der Höhle ein Pfeil auf ihn zu. Erich duckte sich und blickte sich um, um zu sehen, wem der Pfeil gegolten hatte und sein Blick fiel auf mich. Er reagierte, wie alle, die plötzlich einem Horndämon gegenüberstehen: Bevor ich ihn davon abhalten konnte, begann er zu laufen. Stolpernd und sich wieder aufrappelnd rannte er auf die Höhle zu, aus der die Männer aus dem Dorf weitere Pfeile schossen, aber sie schossen nicht auf mich, wie er annahm, sondern auf ihn, meinen Herrn. Das konnte ich nicht zulassen. Sein Wohlergehen war mir wichtiger als sein Wunsch, dass ich aus seinen Augen bleiben sollte, also schloss ich zu ihm auf, übernahm bei der Höhle angekommen seinen Körper und machte den beiden Angreifern den Garaus. Es tat gut erneut in seinen Körper zu fahren und ihm dabei die nötige Kraft und Geschicklichkeit zu verleihen, um die ihm an Stärke überlegenen Männer zu töten. Es war einfach ihre Hälse zu brechen, auch wenn von der Stärke, die er mir mit dem Blutritual verliehen hatte, nicht mehr viel übrig blieb. Erich verlor sein Bewusstsein als ich in seinen Körper fuhr und wachte auch nicht gleich wieder auf, als ich ihn wieder verließ. Aber er erholte sich innerhalb einiger weniger Sekunden. Er würde sich mit der Zeit daran gewöhnen.
Als er die Augen wieder aufschlug, starrte er mich mit schreckgeweiteten Augen an. Etwas hatte sich verändert. Ich war immer noch mit ihm verbunden, aber plötzlich war ich mir nicht mehr ganz so sicher, was er fühlte oder dachte. Es war als würden Wolken zwischen uns ziehen, die mir den Blick verstellen. Langsam kam ich näher. Er schien Schmerzen zu haben, hatte sich während des kurzen Kampfes das Knie aufgeschlagen und ein dünnes Rinnsal aus Blut bahnte sich einen Weg hinunter zu seinen Zehen. Ich war unschlüssig, was ich tun sollte, doch die Sorge um meinen Herrn war stärker als alles andere und so war ich wieder neben ihm, bevor er etwas sagen konnte. Sein Gesicht war kreidebleich und seine Lippen zitterten. Mit ausgestreckten Händen wich er vor mir in Richtung Wald zurück. "Bitte lass mich am Leben, ich habe dir doch nichts getan!"
" Gewiss, Herr. Nichts läge mir ferner, als Euch ein Leid zuzufügen. " Er schien mir nicht glauben zu wollen, aber er sprach zumindest weiterhin mit mir. Das war mehr als ich mittlerweile erwarten konnte. Er hatte mich doch gerufen. Warum verhielt er sich dann jetzt so seltsam?
"Warum hast du die anderen umgebracht?" Tränen begannen über sein Gesicht zu laufen und es war schmerzlich für mich, sie nicht wegwischen zu können, da ich keinen eigenen Körper hatte. Ich warf einen Blick auf die Toten am Höhleneingang und sagte: " Sie wollten Euch töten, Herr. " Er schüttelte trotzig den Kopf. "Nein, dich wollten sie töten, du Monster!" Ich runzelte die Stirn und schüttelte langsam und mit Nachdruck den Kopf. " Nein, Herr. Ihre Pfeile galten Euch. Ich bin für sie unsichtbar. "
"Ich glaube dir kein Wort."
"F rag die Frauen in der Höhle. " Wenn das überhaupt möglich war, dann wurden seine Augen noch größer. "Was hast du gesagt?"
" In der Höhle sind vier Frauen, die entkommen konnten. Ich habe sie nicht weiter beachtet, weil sie keine Gefahr … "
In Erich kam wieder Leben. Er sprang auf, rannte an mir vorbei, um zu sehen, ob ich tatsächlich die Wahrheit sagte. Gleich hinter dem Eingang zur Höhle traf er auf eine der Frauen, die sich weinend über die Leichname der beiden Männer beugte. Als sie ihn erblickte, kreischte sie auf und wich schreiend zurück. Was Erich zu ihr sagen wollte, ging im Geschrei der anderen drei
Weitere Kostenlose Bücher