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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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es schwerfallen mag, das zu glauben, wenn man sich Abu Dun so ansieht.«
    Andrej entging die unausgesprochene Frage keineswegs, die sich hinter diesen Worten verbarg, und er beantwortete sie genauso, wie er mit all den anderen entsprechenden Anspielungen verfahren war, die Sharif in den zurückliegenden Tagen gemacht hatte, nämlich gar nicht. »Und was erwartet Ihr wirklich von uns?«, fragte er. »Dasselbe«, antwortete Sharif. »Geht und findet das Lager der Machdiji. Es kann nicht sehr weit entfernt sein. Sie hatten Verwundete, um die sie sich kümmern müssen, Kat hin oder her, und sie müssen genauso erschöpft sein wie wir.« Er sah ihn einen schier endlosen Moment lang durchdringend an und senkte die Stimme, bevor er weitersprach. »Aber ich möchte nicht, dass ihr zurückkommt.«

Kapitel 18
    Sharifs Vermutung erwies sich als richtig: Das Lager der Machdiji befand sich nicht einmal eine Meile von der flachen Uferdüne entfernt. Sie hatten, das war offensichtlich, eine Menge Verwundeter zu beklagen, tatsächlich sogar deutlich mehr, als Andrej erwartet hatte. Dazu kam eine unerwartet große Anzahl von Toten. Die Angreifer hatten ihre Gefallenen mitgenommen, sodass es schwer gewesen war, die Höhe ihrer Verluste zu schätzen, doch sie mussten gewaltig gewesen sein.
    »Es müssen hundert sein, wenn nicht mehr.« Im ersten Moment glaubte Andrej, Abu Dun spräche von den Machdiji, die zum Schutz vor der bitterkalten Wüstennacht in ihre Mäntel gehüllt an den kleinen Feuerstellen saßen, die die Sandebene vor ihnen sprenkelten, oder eng aneinandergeschmiegt schliefen. Dann folgte sein Blick Abu Duns deutender Hand, und er begriff, dass die Überlegungen des Nubiers wohl in dieselbe Richtung zu gehen schienen wie seine. Nicht weit von ihnen entfernt lagen die Toten der Machdiji säuberlich in Reih und Glied nebeneinander und in weiße Tücher gewickelt oder auch in ihre eigenen Mäntel, wo keine Tücher zur Hand gewesen waren. Dahinter und selbst für seine scharfen Augen nur schemenhaft zu erkennen, bewegten sich weitere Gestalten, und er hörte auch emsiges Hantieren und gedämpfte Stimmen. Andrej nahm an, dass die Belagerer ihre Toten noch vor dem nächsten Angriff beerdigen würden, schon um der muslimischen Sitte Genüge zu tun, nach der der Körper eines Toten so schnell wie möglich beigesetzt werden musste. Vielleicht gab es auch einen anderen Grund, den sie nie erfahren würden-so oder so erschreckte Andrej die große Zahl der Leichen, stellten sie doch nur einen Bruchteil der Opfer dar, die die Schlacht gefordert hatte. Dass die Verluste der Machdiji ungleich größer gewesen waren als die der Verteidiger hatte er gewusst; aber nicht, um wie vieles.
    »Sie muss irgendwo dort sein.« Abu Duns ausgestreckte Hand wies in das aufweichende Grau der Dämmerung hinein, in dem selbst Andrejs scharfe Augen wenig mehr als ineinanderfließende Schatten wahrnahmen, zwischen denen sich schwarzgekleidete Gestalten bewegten.
    »Murida?«
    »Ich habe ihre Stimme gehört …«, sagte Abu Dun, »… glaube ich.«
    Schon auf der Elisa war es verwirrend gewesen, sich Abu Dun in gleich hundertfacher Ausführung gegenüberzusehen, doch hier war es noch ungleich irritierender- und auch gefährlicher, denn während auf dem Schiff eine Verwechslung allenfalls zu einer peinlichen Situation führen mochte, konnte hier die kleinste Unaufmerksamkeit tödlich enden. »Warum gehst du dann nicht hin und holst sie?«, fragte Andrej, um die Worte schon zu bedauern, noch bevor er sie ganz ausgesprochen hatte. Unter normalen Umständen hätte Abu Dun wohl nur mit einer flapsigen Bemerkung oder einem abfälligen Blick reagiert, aber der Mann, der neben ihm im Sand lag, war schon lange nicht mehr der Abu Dun, den er kannte. Andrej war regelrecht erleichtert, als Abu Dun keinerlei Anstalten machte, sich zu erheben und einfach zu dem Mädchen hinunterzugehen. Falls es tatsächlich Murida war, die er unter all den schwarzen Schemen entdeckt hatte. Eine ganze Weile verging, in der sie dalagen und darauf warteten, dass es hell wurde, und schließlich räusperte sich Abu Dun übertrieben und sagte: »Ich will ja nicht drängeln, Hexenmeister, aber sollten wir nicht … na ja … irgendetwas tun?«
    Jetzt war es Andrej, der mit einem ärgerlichen Blick reagierte, auch wenn Abu Dun zweifellos recht hatte – oder vielleicht gerade weil es so war. Davon unbeeindruckt stemmte Abu Dun sich auf Hände und Knie hoch und verschwand geduckt in der

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