Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Dämmerung. Andrej schluckte im letzten Moment einen Fluch hinunter, der ihn vermutlich verraten hätte. Nicht, dass er daran zweifelte, dass Abu Dun das auch ohne Hilfe ganz gut erledigte. Zu seiner Erleichterung kam Abu Dun jedoch schon nach wenigen Augenblicken zurück, einen zusammengeknüllten Mantel unter dem linken Arm und etwas Kleineres und Helles in der anderen Hand. »Zieh das an!«, sagte er und warf Andrej den Mantel zu. »Es wird gleich hell. Besser, sie erkennen dich dann nicht gleich als das, was du bist.«
    Andrej griff widerstrebend (und ein bisschen zornig auf sich selbst, nicht von sich aus auf diese naheliegende Idee gekommen zu sein) nach dem schwarzen Mantel und wickelte sich hinein. Er roch nach Blut und anderen, noch übleren Dingen, sodass Andrej nicht fragen musste, woher das Kleidungsstück kam.
    Abu Dun reichte ihm einen weiteren Streifen aus grobem schwarzem Stoff, sah ihm eine Weile mit unverhohlener Missbilligung dabei zu, wie er einen Turban daraus zu binden versuchte, und nahm die Sache schließlich selbst in die Hand. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, schien er auch mit dem Ergebnis seiner eigenen Bemühungen alles andere als zufrieden zu sein, aber er beließ es trotzdem bei einem breiten Grinsen.
    »Wenigstens haben sie etwas zu lachen, wenn sie uns aufknüpfen«, sagte er.
    »Wieso?« Andrej griff mit spitzen Fingen nach oben und ertastete etwas, das ebenso groß und ausladend war wie das Monstrum von Turban, das Abu Dun zu tragen pflegte. »Ich finde, ich sehe aus wie du.«
    »Ist das wahr?«, erkundigte sich Abu Dun. Andrej nickte, und der Nubier fuhr in nachdenklichem Ton fort:
    »Dann werde ich mir wohl Gedanken darüber machen müssen, mich in Zukunft anders zu kleiden.«
    Andrej warf einen schrägen Blick auf die beiden kleineren Beutel, die Abu Dun ebenfalls mitgebracht hatte, der dem Nubier keineswegs entging. Doch der schwergewichtige Riese reagierte nur mit einem breiten Feixen, griff mit spitzen Fingern in eines der Säckchen und fischte ein halbes Dutzend zartgrüner Blätter heraus, die erzwischen den Zähnen verschwinden ließ. »Wie viel von dem Dreckszeug nimmst du eigentlich mittlerweile?«, fragte Andrej.
    »So viel ich brauche, um mich halbwegs wie ein Mensch zu fühlen.«
    »Nur falls du es vergessen hast«, erinnerte ihn Andrej, »du bist schon lange kein Mensch mehr. Und wenn du noch ein bisschen mehr von diesem Zeug nimmst und dich noch etwas mehr gehen lässt, dann kommt auch niemand mehr auf die Idee, dich dafür zu halten.« »Jetzt verletzt Ihr mich, Sahib«, sagte Abu Dun verschnupft. »Warum seid Ihr so hart zu Eurem Mohren?
    Glaubt Ihr, er hätte keine empfindsame Seele, nur weil er schwarz ist?«
    »Hätten wir einen Spiegel, in den du blicken könntest, dann müsste ich diese Aufgabe nicht übernehmen«, sagte Andrej ernst. »Und jetzt genug von dem Unsinn.
    Hör auf, diesen Dreck in dich hineinzustopfen.« »Und was soll ich deiner Meinung nach tun?«, fragte Abu Dun, doch er schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab, bevor er etwas sagen konnte. Andrej hätte auch nicht gewusst, was. »Nein, ich meine das ernst, Andrej. Sag mir, was ich tun soll! Warten, bis ich mich in Krämpfen winde und fühlen kann, wie meine Eingeweide zerreißen, um dann am Ende an meiner eigenen Scheiße zu ersticken?«
    Damit hatte er recht, aber Andrej schüttelte trotzdem nur den Kopf. »Und die Alternative?«
    »Dass ich zu einem sabbernden Idioten werde, der auf alles losgeht, was sich bewegt?«
    »Ich meinte eher, dass du dich veränderst«, erwiderte Andrej lächelnd. Abu Duns Zähne blitzten strahlend weiß und mit wenigen grünen Flecken gesprenkelt auf, als er dieses Grinsen erwiderte, doch für einen unendlich kurzen Moment loderte auch blanker Hass in seinen schwarzen Augen auf. Er verschwand im gleichen Moment, als sich Abu Dun seiner bewusst wurde, aber er war da gewesen.
    »Das habe ich gemeint, sagte er.
    »Ich weiß«, antwortete Abu Dun, mit einem Mal vollkommen ernst. »Und du hast recht. Aber so schnell geht das nun auch wieder nicht. Und wenn doch, dann habe ich ja immer noch einen guten Freund, der mich schlimmstenfalls vor mir selbst beschützt, nicht wahr?
    Oder die Welt vor mir, wenn du damit besser leben kannst«
    »Wenn mir das Wohl der Menschen am Herzen läge, dann hätte ich dich schon vor dreihundert Jahren ertränkt«, sagte Andrej.
    Abu Dun grinste nur breit und rülpste dann lautstark, aber tief unter diesem Grinsen war auch etwas,

Weitere Kostenlose Bücher