Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
aus Muridas Mund verletzten ihn die Worte. »Du kannst mit dem Theater aufhören, Mädchen«, grummelte Abu Dun. »Wir sind hier ganz allein. Niemand hört dir zu. Und Andrej verrät dich ganz bestimmt nicht.«
Offenbar schon wissend, dass er keine Antwort bekommen würde (oder gar nicht daran interessiert), schüttelte er mit einem sehr tiefen Seufzen den Kopf, stand auf und trat an die jenseitige Wand, wodurch er selbst für Andrejs scharfe Augen zu einem bloßen Schatten wurde. »Es war kein Theater, habe ich recht?«, fragte Andrej. »Nur das, was ich euch in Konstantinopel vorgespielt habe«, sagte Murida trotzig. »Und das nicht schlecht«, gestand Andrej. Abu Dun murmelte etwas, dem er keine Beachtung schenkte. Seine Hände fuhren scharrend über den rauen Stein. »Wie lange gehörst du schon zu ihnen?«
»Zum Machdi?« Murida setzte sich weiterauf, zog die Knie an und umschlang sie mit den Armen. Ihr Haar knisterte wie das Fell einer Katze, das man gegen den Strich streichelte, und Andrej musste sich eines Gefühls vollkommen unpassenden Begehrens erwehren, das weder in diesen Moment noch an diesen Ort gehörte. »Von Anfang an. Vielleicht war ich sogar die Erste … wer weiß?« Sie richtete sich um eine Winzigkeit weiter auf und funkelte ihn auf eine sonderbar müde Art zornig an. »Warum bin ich wirklich hier? Wieso hast du mich entführt?« Das Wort gefiel ihm nicht. Vermutlich antwortete er deshalb deutlich schärfer, als er es eigentlich wollte: »Vielleicht, um dir meine Enttäuschung zum Ausdruck zu bringen, dass du uns so belogen hast? Oder meinen Unmut darüber, dass deine Freunde ein Schiff versenkt haben, auf dem sich Abu Dun gerade befand?« »Jetzt übertreibt er«, sagte Abu Dun. »Ich habe nichts gegen eine zünftige Prügelei dann und wann.« Er machte eine Kopfbewegung auf Andrej. »Reist derjenige von uns, der Schiffe hasst.«
»Also?«, wiederholte Andrej ungerührt. »Warum tust du das, Andrej?«, erwiderte Murida. Sie klang auf eine unbestimmte Art traurig, aber da war auch noch etwas in ihrer Stimme, das ihn alarmierte. »Warum arbeitest du für einen Mann wie Süleyman? »Du sprichst von deinem Vater?« »Ich spreche von dem Mann, der meiner Mutter Gewalt angetan und sie dann weggeworfen hat wie ein Kind ein Spielzeug, an dem es das Interesse verloren hat, ja«, bestätigte Murida kalt. »Ich spreche von dem Mann, der auch schon ein Auge auf mich geworfen und nur von mir abgelassen hat, weil Sharif ihn überzeugen konnte, dass ich ihm dabei behilflich sein könnte, den Machdi zu finden. Ich spreche von dem Mann, der das Volk verachtet, mit dessen Blut er seine Macht und seinen Reichtum erkauft, und dem ein Menschenleben weniger gilt als der Schmutz unter seinen Fußsohlen. Ja, Andrej Delany, von genau diesem Mann spreche ich.«
»Er bleibt trotzdem dein Vater«, erwiderte Andrej ruhig. Murida machte eine zornige Handbewegung, aber ihre Stimme blieb ruhig. »Du willst wissen, warum ihr noch am Leben seid, Ungläubiger? Ginge es nach den Männern in meiner Begleitung, dann wärt ihr schon tot, beide. Aber ich konnte sie überzeugen, dass es sich lohnt, zumindest mit euch zu reden. Also sag mir ganz ehrlich, Ungläubiger: Warum wollt ihr den Machdi finden?«
Abu Dun stopfte sich eine weitere Handvoll Kat-Blätter in den Mund. »Er scheint ein interessanter Mann zu sein«, schmatzte er undeutlich.
»Ich glaube, du weißt, warum«, sagte Andrej.
»Abgesehen von der Belohnung, die uns Sultan Süleyman versprochen hat, wenn wir ihm den Kopf des Machdi bringen?« Abu Dun nickte heftig. »All die Berge von Gold und Edelsteinen und die zweiundsiebzig Jungfrauen?«
»Ihr werdet nichts davon bekommen«, sagte Murida »Und ich hätte es auch gar nicht gewollt.« Abu Dun machte ein betrübtes Gesicht. »Auch wenn mir deine Worte schmeicheln, schönes Kind: Du überschätzt mich. Ich bin ein alter Mann. Was soll ich mit zweiundsiebzig Jungfrauen? Vierzig, gut. Vielleicht auch fünfzig … aber zweiundsiebzig?«
»Und das ist wirklich der einzige Grund?«, fragte Murida beharrlich. Hinter sich spürte Andrej eine vage Bewegung, auch wenn er sie nicht sehen konnte. Doch Leben nahm er nicht wahr, nichts, das die Gier in ihm weckte.
»Und wenn es so wäre?«
»Der Machdi hat von dir gehört, Andrej«, antwortete Murida. »Er ist bereit, dich und deinen schwarzen Freund zu treffen. Ich sollte euch zu ihm bringen, bevor du und dein schwarzer Freund mich verschleppt habt … aber ich bin nicht
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