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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schon auf, die sie in nahezu allen Teilen der Welt kennengelernt hatten. Der Raum maß gute zwanzig Schritte im Quadrat, war mindestens fünf Meter hoch und hatte mit Holz vertäfelte Wände und eine mit aufwendigen Stuckarbeiten verzierte Decke. Eingerichtet war er mit kostbaren Möbeln, die Andrej eher in einem Palast erwartet hätte, und es gab wertvolle Teppiche und vermutlich nicht minder wertvolle Gemälde in vergoldeten Rahmen.
    Und eigentlich war es kein Wunder, dass er sich vorkam wie in einem Palast, denn sie befanden sich tatsächlich in einem solchen.
    Die Janitscharen hatten sie auf den Befehl ihres Hauptmanns (sein Name war Sharif, wie Andrej inzwischen wusste) hin entwaffnet und ihnen die Hände gebunden, sie darüber hinaus aber mit großem Respekt, ja, fast schon freundlich behandelt. Man hatte sie in einen geschlossenen Wagen verfrachtet, der sie quer durch die Stadt gefahren hatte – allerdings nicht in eines der zahlreichen Gefängnisse, von denen es in Konstantinopel beinahe mehr gab als Moscheen, sondern hierher, in den Topkapi-Palast, den Sitz des Sultans und sicherlich eines der prachtvollsten und fantastischsten Gebäude der Welt. Niemand hatte mit ihnen geredet, niemand hatte auch nur eine einzige der zahllosen Fragen beantwortet, mit denen Andrej Sharif und die anderen bestürmt hatte. Doch man hatte sie hierher in diesen Raum geführt und ihnen die Fesseln abgenommen, und später hatte ihnen ein genauso schweigsamer und von gleich vier bewaffneten Janitscharen begleiteter Diener ein der Umgebung angemessenes Essen gebracht.
    Das war vor gut zwölf Stunden gewesen. Inzwischen berührte die Sonne schon fast wieder den Horizont. Der Tag ging zu Ende, und mit Ausnahme des stummen Dieners, der ihnen eine zweite Mahlzeit gebracht hatte, hatten sie in all diesen Stunden keinen Menschen zu Gesicht bekommen.
    Nur einen Augenblick nachdem die Sonne ganz untergegangen war und immer mehr Schatten den großen Raum eroberten, erhielten sie den endgültigen Beweis, dass dieses Gefängnis sich von allen anderen unterschied, die sie kannten, denn Andrej hörte zwar näher kommende Schritte, aber an der Tür wurde geklopft, und es verging sogar ein Moment, bis sie das Geräusch des Riegels hörten und Sharif eintrat.
    »Kommt mit«, sagte er knapp. Er war allein, aber Andrej konnte die Herzschläge mindestens zweier weiterer Männerdraußen auf dem Gang hören und ihre Anspannung fühlen.
    »Wohin?«, fragte er, stand aber auf. Abu Dun tat es ihm gleich.
    »Wenn es nach mir ginge, geradewegs auf den Richtplatz«, antwortete der Hauptmann.
    »Aber es geht nicht nach dir«, vermutete Abu Dun.
    »Jemand will mit euch sprechen«, bestätigte Sharif. »Ihr werdet tun, was ich euch sage. Ihr werdet nicht reden, bevor man es euch ausdrücklich erlaubt, und ihr werdet antworten, wenn man euch Fragen stellt. Wenn ihr zu fliehen versucht, werdet ihr getötet. Wenn ihr lügt, werdet ihr getötet. Wenn ihr respektlos seid, werdet ihr getötet. Habt ihr das verstanden?«
    »Werden wir getötet, wenn nicht?«, fragte Abu Dun.
    Sharif erwiderte nichts, doch Andrej warf dem Nubier trotzdem einen mahnenden Blick zu. Sharif zog zwei Paar eiserner Handfesseln unter seinem Mantel hervor und winkte sie heran. »Legt euch die an.«
    »Und wenn nicht?«, fragte Abu Dun.
    »Rufe ich meine Männer, es gibt ein paar Tote und etliche Verletzte, und am Ende tragt ihr die Fesseln trotzdem«, antwortete Sharif mit einer Gelassenheit, die nicht gespielt war. »Es ändert nichts. Aber ihr würdet einigen Frauen ihre Männer nehmen und einigen Kindern ihre Väter. Wollt ihr das?«
    »Janitscharen dürfen nicht heiraten«, sagte Abu Dun.
    »Das ist wahr. Aber Kinder haben sie trotzdem. Und Frauen.« Sharif klapperte auffordernd mit den Handfesseln.
    »Ist es das wert?«
    »Ist es das wert?« Andrej deutete auf die mit einer kurzen Kette miteinander verbundenen Eisenringe, und etwas höchst Unerwartetes geschah: Sharifs Blick folgte seiner Geste, und er konnte dem Janitscharenhauptmann ansehen, dass er angestrengt nachdachte. Dann nickte er und steckte die Handfesseln wieder ein. »Wahrscheinlich nicht.«
    »Jetzt musst du uns nur noch unsere Waffen zurückgeben, und wir würden dir dein ungebührliches Benehmen bisher verzeihen«, sagte Abu Dun, »und möglicherweise sogar davon absehen, uns bei deinem Herrn über dich zu beschweren.«
    Andrej verdrehte innerlich die Augen und fragte sich, wie weit Abu Dun wohl noch gehen wollte, um Sharif

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