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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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werden«, grummelte Abu Dun, gehorchte aber, und auch Andrej tat, wie ihm befohlen worden war. Trotzdem entging ihm nicht, dass Sharifs Männer hinter ihnen zurückblieben, als die Tür geschlossen wurde.
    Ihre Anwesenheit war aber auch nicht nötig. Zumindest vor den Sinnen normaler Menschen gut verborgen stand ein weiteres halbes Dutzend Wächter in geschickt getarnten Nischen, und Andrej musste ihre Waffen nicht sehen, um zu wissen, dass sie nicht nur schöner Tand waren.
    »Das ist nahe genug.« Sharif bedeutete ihnen, stehen zu bleiben, und kaum hatten sie es getan, erhob sich der Schnauzbärtige von seinem Diwan, ging mit kleinen, trippelnden Schritten zu einem zierlichen Tisch und ließ sich mit untergeschlagenen Beinen auf einem goldbestickten Kissen nieder. Die beiden Frauen wollten ihm folgen, doch er wedelte unwillig mit einer Hand, anderen Fingern so viele und schwere Ringe blitzten, dass Andrej sich fragte, wie er sie überhaupt noch heben konnte.
    »Nicht jetzt, meine Täubchen«, sagte er. »Ich habe wichtige Dinge mit diesen Männern zu besprechen, die euch gewiss nicht interessieren. Langweilige Dinge, zweifellos, die aber getan werden müssen. Geht und lasst uns allein!«
    Die beiden Frauen entfernten sich gehorsam und schnell, und Andrej hatte Mühe, nicht abfällig die Lippen zu verziehen. Abu Dun schien diese Skrupel nicht zu haben.
    Er versuchte es erst gar nicht.
    »Abu Dun und Andrej Delany«, sagte der Schnauzbärtige mit einer Stimme, die mit einem Mal ganz anders klang.
    »Bitte setzt euch doch.«
    »Sultan Süleyman der Zweite«, fügte Sharif erklärend hinzu. »Ihr dürft ihn jetzt ansehen. Und gehorchen.«
    »Weil wir sonst getötet werden, ich weiß«, sagte Abu Dun - auf Deutsch. Süleyman wartete, bis sie sich gesetzt hatten und antwortete dann in derselben Sprache und vollkommen akzentfrei:
    »Das wäre dann vielleicht doch ein wenig zu drastisch, nur wegen einer so kleinen Verfehlung. Ich fürchte, mein guter Hauptmann hat wieder einmal stark übertrieben. Er glaubt wohl, einen gewissen Ruf wahren zu müssen.«
    Andrej ließ sich gehorsam vor dem niedrigen Tischchen auf beide Knie sinken, während Süleyman abwechselnd ihn und Abu Dun musterte und sich ganz unverhohlen über ihrer beider Überraschung amüsierte.
    »Eine Erfrischung?«, fragte er, wartete ihre Antwort nicht ab, sondern wedelte mit der anderen Hand (die ebenso schwer von Ringen war), woraufhin wie aus dem Nichts ein Diener erschien, der ein Tablett mit Tee und Obst brachte.
    »Ihr … sprecht Deutsch?«, fragte Andrej schließlich.
    »Neben anderen Sprachen, ja«, bestätigte Süleyman – in einem fast ebenso akzentfreiem Französisch. »Es ist von Vorteil, die Sprache seiner Gegner zu sprechen.« Erwartete, während der Diener sein Tablett ablud und ihnen Tee einschenkte, obwohl der Mann peinlichst darauf achtete, den Blickkontakt zwischen ihnen nicht zu stören. Auch Andrej fragte erst, als der Diener gegangen war: »Sind wir das denn? Feinde, meine ich?« »Nur, wenn Ihr und Euer Freund es sein wollt«, antwortete Süleyman, und Andrej revidierte seine vielleicht doch etwas vorschnell gefasste Meinung über ihn. Sultan Süleyman der Zweite war nicht nur der Herr dieses Palastes und Konstantinopels, sondern praktisch des gesamten Osmanischen Reiches, und damit der mächtigste Mann der Welt. Auf seinem Diwan, flankiert von zwei wunderschönen (und halb nackten) Frauen und in dieser ganz besonderen Umgebung wirkte er vielleicht wie eine Karikatur seiner selbst, aber Andrej begann sich jetzt zu fragen, ob Süleyman sich dieses Umstandes vielleicht nicht nur bewusst war, sondern sich auch alle Mühe gab, diesen falschen Eindruck zu pflegen. Er hatte eine Menge über den Sultan gehört – wenig davon war schmeichelhaft –, aber er war gewiss kein Dummkopf. Möglicherweise aber war er jemand, der wollte, dass alle anderen ihn dafür hielten.
    Er versuchte es direkter. »Darf ich fragen, warum wir hier sind, Sultan?«
    Sharif sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, doch Süleyman lächelte nur und griff mit beiden Händen nach oben, um den Turban abzunehmen. Süleyman sah aus wie ein Mann in den Vierzigern, der sich gut gehalten hatte. Er hatte volles, pechschwarzes Haar und sehr wache Augen, und man sah ihm an, dass er einen ständigen Kampf gegen das Übergewicht focht. Einzig der überdimensionale Schnauzbart passte nicht zu diesem Gesicht, das Andrejs persönlichem Geschmack nach recht albern aussah.
    »Ja,

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