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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Stirn.
    »Du hast gerade einen Zwanzig-Fuß-Satz gemacht, Hexenmeister, und das ohne Anlauf«, grollte er. »Gib acht, was du tust. Die Männer könnten anfangen zu reden.« Immerhin war er umsichtig genug gewesen, Deutsch zu sprechen, aber Andrej hätte auch nicht geantwortet, hätte er Arabisch gesprochen, das all die Männer in ihrer Umgebung verstanden. Die Männer redeten ohnehin. Auch wenn ihm noch nichts Konkretes zu Ohren gekommen war, so war ihm doch klar, dass sie Abu Dun und ihn spätestens seit der Schlacht auf dem Fluss für so etwas wie Dämonen halten mussten. »Was ist da los?«, fragte er und blickte zu der näher kommenden Dau.
    Abu Dun wirkte ein bisschen enttäuscht, dass er sich auf keine Diskussion einließ, deutete dann aber mit der Rechten auf das kleine Schiff. »Irgendetwas stimmt da nicht, das ist los«, sagte er auf Kat-Blättern kauend. »Es gefällt mir nicht.«
    Andrej, der schon vor sehr langer Zeit gelernt hatte, im Zweifelsfall eher auf sein Gefühl als auf seinen Verstand zu hören, erging es ganz genauso. Trotzdem fragte er: »Und was genau gefällt dir daran nicht?«
    »Dass es ihm nicht gefällt.« Abu Dun nickte zu einem der anderen Boote hin, in dessen Bug der spanische Piratenkapitän Aufstellung genommen hatte. Seine Haltung verriet Anspannung, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck irgendwo zwischen verhaltenem Ärger und Sorge.
    Mehr brauchte er nicht.
    »Gib den anderen Bescheid, dass sie zurückfallen sollen«, wandte ersieh an einen der spanischen Matrosen, auch jetzt wieder in dessen Muttersprache und vollkommen akzentfrei. »Abu Dun und ich sehen uns das an.« Vollends neben Abu Dun tretend, sah er der näherkommenden Dau entgegen. Abu Dun hatte recht: Mit dem Boot stimmte etwas nicht. Wie betrunken schwankte es hin und her und kam auch nicht so schnell näher, wie er erwartet hatte. Eine Anzahl schwarz gekleideter Gestalten drängte sich an Deck des kleinen Segelbootes, doch er hielt vergeblich nach den Männern Ausschau, die Fernandes den Kundschaftern mitgegeben hatte. Seine Hand legte sich auf den Schwertgriff, und er spürte, wie sich auch Abu Dun anspannte.
    Schneller als erwartet fielen die anderen Daus zurück, und ihr eigenes Schiff nahm spürbar an Fahrt auf. Kommandos auf Spanisch und Arabisch hallten über das Wasser, und Abu Dun und er waren womöglich nicht die Einzigen, denen der Anblick des nahenden Bootes Unbehagen bereitete. Schwerter wurden gezogen, und Andrej hörte die typischen Geräusche, mit denen die Janitscharen ihre gefürchteten Musketen luden. Andrej meinte die Falle regelrecht riechen zu können. Aber er sah sie nicht. Abu Dun berührte ihn an der Schulter und deutete nach links, zum östlichen Ufer des Nil, der wieder nur von saftigem Grün und fast mannshohem Schilf gesäumt wurde. Ein knappes Dutzend Reiter in schwarzen Mänteln war zwischen den Büschen aufgetaucht und blickte in ihre Richtung, die Männer, die Sharif vorausgeschickt hatte, um das Ufer zu sichern. Wenigstens hatte er das bisher geglaubt. Jetzt war er nicht mehr ganz sicher. Aber das war Sharifs Problem. Das Boot kam näher, schwankte noch einmal so heftig, dass Andrej nicht überrascht gewesen wäre, es im nächsten Moment kentern zu sehen, und drehte sich dann schwerfällig aus der Strömung, bis es quer vor ihnen lag wie ein Kriegsschiff, das einer gegnerischen Fregatte die Breitseite zuwendet.
    Und vielleicht war dieser Vergleich nicht einmal so falsch, denn als Abu Dun und ersieh bereitmachten, auf das andere Schiff überzusetzen, erschien ein gutes Dutzend Musketenläufe über dessen Reling. Andrej blieb nicht einmal Zeit zu erschrecken, geschweige denn zu reagieren.
    Aus so unmittelbarer Nähe abgefeuert, krachte die Musketensalve tatsächlich mit der Lautstärke einer Breitseite aus Zwölfpfündern, und die Dau verschwand einfach hinter einer Wand aus grauem und schwarzem Pulverdampf, aus der orangerote Flammenzungen in ihre Richtung stachen. Abu Dun brüllte vor Schmerz und Wut, von zwei oder drei Geschossen gleichzeitig getroffen, und auch Andrej spürte einen brennenden Schmerz an Hüfte und Oberarm, gefolgt von einem heftigen Brennen, das sich wie die Spureines rotglühenden Drahtes querdurch sein Gesicht zog. Überall rings um sie herum schlugen Geschosse in Holz und Fleisch und Kleider, Schreie gellten und gingen im nicht enden wollenden Krachen der Musketensalven und dem Splittern von Holz und dem schrecklichen nassen Laut von reißendem Fleisch unter.

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