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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einem Satz an der Bordwand, zögerte kurz und sprang dann hinterher. Der Fluss schien zu kochen. Tote und Trümmer trieben im Wasser. Die Geräusche des Kampfes waren verzerrt und durch das Wasser aller Höhen beraubt, und irgendjemand schoss auf ihn-oder vielleicht auf alles, was sich im Wasser bewegte. Eine schnurgerade Kette winziger silberglänzender Luftbläschen tanzte neben ihm hoch zur Wasseroberfläche und verlor sich auf halbem Weg in der Dunkelheit. Wo war Abu Dun?
    Wie zur Antwort auf diese Frage entdeckte erden Nubier ein gutes Stück weiter unter sich. Wenn es darauf ankam, schwamm Abu Dun schnell und geschickt genug, um einen Fisch neidisch zu machen, jetzt aber sank er wie ein Stein in die Tiefe. Den sterbenden Machdiji hielt er immer noch mit beiden Armen umklammert. Andrej war nicht einmal sicher, ob in Abu Dun noch Leben war.
    Seine Lungen verlangten nach Luft, aber Andrej ignorierte das Pochen und verdoppelte im Gegenteil seine Anstrengungen, ihm zu folgen.
    Der Fluss war an dieser Stelle nicht besonders tief, vielleicht vier oder fünf Meter, doch sein Grund war so dick mit Schlamm bedeckt, dass Abu Dun und sein regloses Opfer in einer braunen Wolke verschwanden. Für eine schreckliche Sekunde drohte Andrej in Panik zu geraten, bevor er sich wieder zusammenriss. Hier unten nutzten ihm seine scharfen Sinne wenig, und er hatte nicht alle Zeit der Welt. Abu Dun und er konnten länger die Luft anhalten als die meisten anderen, aber irgendwann musste auch der Nubier atmen.
    Andrejs Lungen schmerzten, und auf seinen Ohren lastete ein Druck, der dünne heiße Pfeile in seinen Schädel schoss. Trotzdem schwamm er noch schneller, tastete blind in der Wolke aus wirbelndem braunem Nilschlamm umher und bekam etwas zu fassen, von dem er nur hoffen konnte, dass es Abu Dun war. Für einen zweiten Versuch blieb ihm nicht mehr genug Luft.
    Andrej griff auch mit der anderen Hand zu, warf sich herum und starrte entsetzt auf die Kette silberner Luftblasen, die vor seinem Gesicht in die Höhe stieg. Ganz davon abgesehen, dass Ertrinken ein weitaus qualvollerer Tod war, als die meisten annahmen, konnte er es sich nicht leisten, hier und jetzt zu sterben oder Abu Dun sterben zu lassen. Nicht einmal Sharif würde seine Männer davon abhalten können, Abu Dun und ihn bei lebendigem Leib zu verbrennen, wenn sie ihre Leichen aus dem Wasser zogen und sie ein paar Minuten später die Augen aufschlugen.
    Bis zum allerletzten Moment war er nicht sicher, es zu schaffen. Vielleicht überschritt er tatsächlich für einen Moment die unsichtbare Grenze tief in seinem Inneren -oder verlor zumindest das Bewusstsein-, denn das Nächste, was er wahrnahm, war spritzendes Wasser und Schmerz und das Köstlichste, das er jemals geschmeckt hatte: Luft, die seine Lungen füllte und die Schwärze aus seinen Gedanken vertrieb. Instinktiv hatte ersieh nicht nur auf den Rücken gedreht, sondern auch den bewusstlosen Abu Dun auf sich gezogen. Selbst wenn Abu Dun bereits ertrunken war, würde es in dem allgemeinen Chaos wahrscheinlich niemand bemerken.
    Es gab nur ein Problem: Der Nubier schleppte seinerseits

einen reglosen Körper mit sich: Den Machdiji, der ihn angegriffen und den er mit sich über Bord gerissen hatte. Der Mann war längst tot, die Hand immer noch an dem Dolch, den er in Abu Duns Flanke gestoßen hatte. Abu Duns Linke presste den Toten weiter unerbittlich an sich, während die gespreizten Finger seiner rechten Hand auf dem Gesicht des Mannes lagen, als hätte er ihm mit letzter Kraft die Augen ausdrücken wollen.
    Andrej begriff nur zu gut, was das bedeutete, und obwohl er es im Grunde längst gewusst hatte, erfüllte ihn der Gedanke mit blankem Entsetzen.
    Noch immer fielen Schüsse. Jemand rief seinen Namen, und etwas Großes bewegte sich auf ihn zu. Wasser tretend warf ersieh herum, um Abu Dun und seinen unfreiwilligen Passagier vor allzu neugierigen Blicken abzuschirmen, und riss den Dolch aus Abu Duns Seite. Erschrocken sah er den Schwall von hellrotem Blut, der sich in hellrosa Schlieren im Wasser verteilte. Abu Duns Augenlider flatterten, begleitet von einem dumpfen Stöhnen und einer Folge von Krämpfen, die noch Andrej mit fast schmerzhafter Intensität spürte. Abu Dun hielt den Toten immer noch weiter fest, wie ein störrisches Kind, das sich weigert, ein kaputtes Spielzeug herzugeben. Andrej brauchte fast seine ganze Kraft, um seinen Griff zu sprengen und den Leichnam wegzuschieben.
    Hände griffen nach Abu Dun und

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