Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
über einen Mann, der ihr gleichgültig ist.«
»Gut, dass Ihres mir sagt«, erwiderte Andrej. »Sobald ich wieder in Konstantinopel bin, werde ich beim Sultan um ihre Hand anhalten. Und bis dahin habt Ihr mein Wort als ehrbarer Ungläubiger, dass die Tugend der holden Jungfer nicht in Gefahr ist.«
Sharif lächelte dünn, aber seine Augen blieben ernst. »Euer einfaches Wort als Mann würde mir reichen, dass Ihr auf sie aufpasst«, antwortete er. »Und Ihr werdet Konstantinopel nicht wiedersehen, keiner von uns wird das, fürchte ich.«
»Ich dachte, Ihr wärt Soldat, Hauptmann«, antwortete Andrej. »Hat Euch niemand gesagt, wie gefährlich eine solche Einstellung ist? Manche glauben, sie wäre der sicherste Weg, einen Kampf zu verlieren, noch bevor der erste Schuss gefallen ist.«
»Ich bin sogar ein guter Soldat«, erwiderte Sharif, »aber ich bin auch nicht dumm und weiß, wann es vorbei ist.« Er wandte sich wieder dem Fluss zu. Andrej tat es ihm gleich, auch wenn er bezweifelte, dass sie tatsächlich das gleiche sahen.
Sharifs Blick taxierte das knappe Dutzend Boote, das ihren Verfolgern noch geblieben war. Nach der blutigen Nase, die sie sich gerade geholt hatten, blieben sie in respektvollem Abstand, aber das würde gewiss nicht mehr lange so bleiben. Vermutlich wog Sharif ihre Chancen ab, einen zweiten Angriff der Machdiji zurückzuschlagen. Andrej blickte zu der brennenden Stadt am anderen Ufer. Sie waren viel zu weit entfernt, um irgendwelche Einzelheiten zu erkennen, aber die schwarzen Rauchwolken waren eher mehr geworden, und Andrej hatte genug ähnlicher Katastrophen erlebt, um zu wissen, dass von der namenlosen Ortschaft nichts mehr übrig bleiben würde, was des Erinnerns wert war.
»Ich will Euch um etwas bitten, Andrej«, sagte Sharif. »Ich weiß, ich habe kein Recht dazu, aber ich tue es trotzdem.«
Andrej wusste sehr wohl, wovon er sprach, fragte aber trotzdem: »Worum?«
»Ihr habt gesagt, ich sei ein Soldat, und damit habt Ihr recht«, sagte Sharif, statt direkt zu antworten. »Ich bin ein guter Soldat, der auch erkennt, wenn er einen Gegner nicht besiegen kann.«
»Ihr meint diese aufgehetzten Bauern und Tagediebe, über die Ihr noch vor ein paar Tagen gelacht habt?«
»Sie haben dreimal so hohe Verluste erlitten wie wir«, fuhr Sharif unbeeindruckt fort. »Aber sie sind auch hundertmal so viele.«
Andrej deutete auf den schwarzen Rauch, der über dem anderen Ufer in die Höhe stieg. »Und mit solchen Aktionen sorgt Ihr dafür, dass sie immer nur noch mehr werden.«
Sharif tat, als hätte er ihn nicht gehört. »Sie werden spätestens heute Abend wieder angreifen«, sagte er.
»Man muss kein Meisterstratege sein, um zu wissen, was geschehen wird. Sie werden außer Schussweite an Land gehen und uns im Schutze der Dunkelheit aus drei Richtungen angreifen. Vielleicht vier, wenn sie es zugleich noch einmal vom Fluss aus probieren … obwohl ich das bezweifle nach dem kleinen Kunststück, das Euer Freund vorhin aufgeführt hat.«
Andrej blickte demonstrativ nach rechts und links. »Hier gibt es keine Krokodile.«
»Das wird ihn gewiss nicht davon abhalten, mit irgendetwas zuwerfen«, antwortete Sharif. »Im Zweifelsfall sogar mit Pyramiden, nehme ich an. Aber es wird nichts mehr nutzen. Unser Weg endet hier, Andrej.« »Ja, das ist wohl so«, sagte Andrej bewusst kühl. Was erwartete Sharif von ihm? Dass er ihn tröstend in die Arme schloss und ihm ins Ohr flüsterte, dass schon alles gut werden würde? Das eine würde er gewiss nicht tun, und das andere würde nicht wahr sein. »Was genau wollt Ihr?«, frage er geradeheraus. Sharif bewegte prüfend den rechten Arm und zog eine Grimasse. »Ich bin verletzt, Andrej. Genau wie fast jeder meiner Männer. Wir haben nicht mehr viel Munition, und die meisten Männer sind so erschöpft, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten können. Und selbst wenn es nicht so wäre, würde das nichts mehr ändern. Sie werden uns überrennen. Ihr sprecht mit einem toten Mann, Andrej.« Hinter ihnen raschelte es im Schilf, und Abu Dun sagte: »Das ist er gewohnt, Hauptmann. Allerdings reden sie zumeist nicht einen solchen Unsinn.« Der Nubier trat gebückt aus dem dichten Schilf und stampfte dabei so hart auf, dass sich die Erschütterungen in rasch aufeinanderfolgenden Wellen im Wasser fortsetzten. »Worauf wollt Ihr hinaus, Hauptmann? Dass wir bei dem Sultan im Wort stehen und unsere Leben gefälligst für ihn zu opfern haben? Tut mir leid, aber
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