Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
er es auch nur«, antwortete Sharif mit einem kurzen, vollkommen humorlosen Lachen. Es klang eher wie ein Bellen. »Und ihre Mutter und ich auch.«
Andrej erinnerte sich an eine Bemerkung, die Sharif vor einer Weile gemacht hatte. »Ihre Mutter ist noch am Leben?«
Sharif nickte. »An einem sicheren Ort und unter einem anderen Namen«, bestätigte er. »Wenn Ihr schon keine Rücksicht auf mich und Murida nehmen wollt, dann wenigstens auf sie. Süleyman würde sie und jeden umbringen lassen, der auch nur einmal mit ihr gesprochen hat, wenn er die Wahrheit erfährt.« »Wie herzergreifend«, sagte Abu Dun abfällig und mit einem demonstrativen Blick zum anderen Ufer hin, wo die Stadt immer noch brannte. Natürlich war es unmöglich, selbst für ihr scharfes Gehör, und dennoch glaubte Andrej für einen winzigen Moment, die Schreie der Sterbenden über das Wasser heranwehen zu hören. »Ja, man hat mir erzählt, dass du zu denen gehörst, denen ein Menschenleben heilig ist.«
Sharif ließ sich auch von dieser neuerlichen Provokation nicht aus der Ruhe bringen, sondern maß den nubischen Riesen mit einem langen, undeutbaren Blick. »Ich wollte, die Zeit würde noch ausreichen, um dir alles zu erklären, mein Freund«, sagte er. »Aber leider reicht sie nicht. Ich wollte auch, sie würde ausreichen, um dir und deinem Freund wenigstens ein paar der vielen Fragen zu stellen, die ich euch stellen möchte, aber auch das ist nicht der Fall. Jeder Moment, den wir weiter mit Reden vergeuden, macht euren Vorsprung kleiner.«
»Welchen Vorsprung?«, fragte Abu Dun, der sich in den Kopf gesetzt zu haben schien, den Narren zu spielen.
»Der, den meine Soldaten und ich mit unserem Leben für euch erkaufen«, antwortete Sharif. »Und je länger wir reden, desto vergeblicher wird dieses Opfer sein.«
Abu Dun machte ein gebührend beeindrucktes Gesicht.
»Ich muss bei dir Abbitte leisten, Hauptmann«, sagte er.
»Wie es aussieht, habe ich mich in dir getäuscht. Ich werde dafür sorgen, dass man dir ein Denkmal setzt. Bevorzugst du ein bestimmtes Material? Bronze oder lieber Granit? Ich persönlich mag ja am liebsten –«
»Gibt es einen bestimmten Ort, wohin ich sie bringen soll?«, fragte Andrej. »Vielleicht zu ihrer Mutter?«
»Ich weiß nicht, wo sie ist«, antwortete Sharif. »Und auch nicht, welchen Namen sie heute führt.«
»Die Frau, die die Mutter deiner Tochter ist?«, fragte Abu Dun zweifelnd. »Wer soll dir das glauben?«
»Was er nicht weiß, kannerauch niemandem verraten«, sagte Andrej. »Nicht einmal den Folterknechten des Sultans, nicht wahr?«
»Ihr seid ein kluger Mann, Andrej«, sagte Sharif.
»Und Ihr seid ein sehr dummer Mann, Sharif«, gab Andrej zurück, wenn auch mit einem verzeihenden Lächeln. »Hätte ich all das eher gewusst …«
»Hätte es nichts geändert«, behauptete Sharif. »Ich habe Süleymans Vater einen Eid geschworen, Andrej. Ich werde ihn nicht brechen.«
»Selbst wenn es das Leben Eurer Tochter kostet?«
Sharifs Schweigen war Andrej Antwort genug. »Und wohin sollen wir sie also bringen?«, fragte er. »Möglichst weit weg von Sultan Süleyman, nehme ich an.« Abu Dun genehmigte sich mit einem genüsslichen Schmatzen ein weiteres Blatt. »Nichts dagegen.« »Wenn es so einfach wäre, dann hätte ich es längst getan, meinst du nicht auch?« Sharif gelang das Kunststück, nicht annähernd so abfällig zu klingen, wie seine Wortwahl erwarten ließ. »Süleyman der Zweite ist kein Mann, der vergisst oder gar vergibt. Der einzige Feind, den er nicht mehr verfolgen lässt, ist ein toter Feind. Was mich angeht, werde ich ihm diesen Wunsch wohl erfüllen, aber Murida …«
»Paris wird ihr gefallen«, sagte Abu Dun. »Oder London.« Er wandte sich mit gerunzelter Stirn an Andrej. »Was meinst du, Hexenmeister, ob sie es schon wieder aufgebaut haben?«
»Es ist das Kat.« Sharif machte eine Kopfbewegung auf den Beutel in Andrejs Hand. »Es wird sie töten, wenn Ihr keine Lösung findet, Andrej. Und ich fürchte, das heißt –« »Dass sich nichts geändert hat«, fiel ihm Abu Dun ins Wort. »Wir müssen den Machdi finden.« »Und hoffen, dass es wahr ist, was man sich über ihn und sein ganz besonderes Kat erzählt, ja«, sagte Sharif. »Es heißt, wer sich sein Vertrauen wirklich verdient hat, den belohnt er mit der wahren Macht des Kat.« »Und welche sollte das sein?«, fragte Andrej. »Unsterblichkeit«, antwortete Sharif. »Es heißt, wer sich seiner wirklich würdig
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