Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
mischte sich Hadschi ein, bevor Andrej antworten konnte, »wäre uns dann ein interessantes Schauspiel entgangen. Ich habe zugesehen, wie er die Felswand heruntergestiegen ist. Ich hatte gehofft, dass er sich den Hals bricht, aber diesen Gefallen hat er mir nicht getan.«
»Es ist gut, Hadschi«, sagte Murida. »Geh und …« Sie suchte nach Worten und hob dann nur unschlüssig die Schultern. »Tu irgendetwas! Aber tu es woanders!«
Andrej konnte Hadschis Reaktion auf diesen Verweis nicht sehen, doch einer der Männer neben Murida lachte leise, und er hörte, wie Hadschi zornig davon stapfte. Murida schüttelte mit einem resignierten Seufzen den Kopf, und der Mann neben ihr sagte etwas in jener fremden Sprache, die Andrej nicht verstand, obwohl sie ihm bekannt vorkam.
Die anderen lachten, verstummten aber schnell, als Murida einen zornigen Blick in jedes einzelne Gesicht warf.
Andrej nutzte die Zeit, um das halbe Dutzend Männer etwas genauer in Augenschein zu nehmen. Niemand schien etwas dagegen zu haben, obwohl er sich nicht die geringste Mühe gab, es verstohlen zu tun. Aber das Ergebnis seiner Musterung war einigermaßen … verwirrend.
Es war nicht etwa so, dass sich die Männer in auffälliger Weise geähnelt hätten oder sonst wie besonders gewesen wären. Sie waren unterschiedlichen, wenn auch allesamt fortgeschrittenen Alters – den Jüngsten schätzte Andrej auf vierzig Jahre, wenn nicht mehr- und von unterschiedlicher Statur, und dennoch gab es eine Art … unsichtbarer Ähnlichkeit … ein besserer Ausdruck fiel Andrej nicht dafür ein. Als würden sie derselben Familie angehören, auch wenn es das ebenfalls nicht wirklich traf. Ein sachter, leicht süßlicher Geruch schlug ihm entgegen, den er im ersten Moment nicht richtig einordnen konnte, im nächsten dafür umso deutlicher: Kat.
Murida beendete das kurze Intermezzo mit einem scharfen Wort in der unbekannten Sprache und wandte sich dann wieder direkt an ihn. »Bitte verzeih Hadschis Benehmen«, sagte sie. »Er liebt es, den Dummkopf zuspielen … aber das kennst du ja von deinem schwarzen Freund.« »Abu Dun, ja«, sagte Andrej und legte die Stirn in Falten. Es ärgerte ihn, dass Murida sich nach wie vor weigerte, den Namen des Nubiers auszusprechen. »Aber bei ihm weiß ich, dass er ihn nur spielt.«
»So wie Hadschi«, erwiderte Murida. »Nur ist er leider ein wirklich schlechter Schauspieler. Aber er ist treu, und ich weiß, dass ich mich auf ihn verlassen kann.« Andrej antwortete nicht darauf. Er war nicht hierhergekommen, um darüber zu streiten, wer der größere Dummkopf war. Stattdessen deutete er auf die Männer neben Murida. »Wer sind deine Freunde?« »Ich dachte, du wüsstest es schon.« Murida gab sich alle Mühe, Enttäuschung zu zeigen, machte aber auch keine Anstalten, seine Frage zu beantworten.
»Nein«, erwiderte Andrej. »Sollte ich Angst um mein Leben haben?«
»Das sollte man eigentlich immer, nicht wahr?«, erwiderte Murida, schüttelte aber den Kopf. »So wie ich dich erlebt habe, bin ich nicht ganz sicher, wer hier um sein Leben fürchten sollte … aber du bist nicht hergekommen, um zu kämpfen, oder?«
»Selbst wenn …« Andrej legte die Hand auf die leere Schwertscheide an seinem Gürtel und ließ den Satz unbeendet. Murida sah ihn durchdringend an und tat dann etwas Unerwartetes: Sie gab dem Mann hinter ihm einen knappen Wink, und der Machdiji trat neben ihn und hielt ihm den Saif hin, den Hadschi gerade an sich genommen hatte.
Andrej war so überrascht, dass es eines zweiten auffordernden Winkens Muridas bedurfte, bis er nach der Waffe griff.
»Das ist … sehr großzügig von dir«, sagte er verwirrt.
Murida nickte nur, doch der Mann neben ihr lächelte auf eine ganz besondere Art, die freundlich wirkte, Andrej aber trotzdem nicht gefiel.
»Gib mir keinen Grund, es zu bereuen«, sagte sie.
Andrej schob den Saif in die Scheide und sagte vorsichtshalber gar nichts, aber er ließ die Hand auf dem Schwertgriff liegen.
»Also?«, fragte er schließlich.
»Der Machdi hat von Euch gehört, Andrej«, antwortete Murida. Für einen ganz kurzen Moment war Andrej irritiert, dass sie wieder zu dieser förmlichen Anrede wechselte, doch dann vermutete er, dass dieser Umstand mehr den Männern in ihrer Begleitung galt. »Er ist bereit, Euch zu treffen, Andrej. Ich soll Euch zu ihm bringen … aber ich bin nicht sicher, ob ich es auch will … kann ich Euch trauen?«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Andrej. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher