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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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etwa schon zu seinen Anhängern gehört, bevor er selbst wusste, dass Allah persönlich ihn ausgesucht hat, um den Menschen das ewige Heil zu bringen?«
    Murida ignorierte seinen Sarkasmus. »Wer weiß?
    Vielleicht wäre mir ja jeder recht gewesen, der nicht auf Süleymans Seite steht. Du hast dieses Ungeheuer erlebt, Andrej.«
    »Das heißt, du hättest dich jedem angeschlossen, der nur gegen den Sultan ist?«
    »Wer weiß?«, sagte Murida noch einmal und mit erstaunlicher Offenheit. »Möglicherweise wäre jeder Dummkopf besser gewesen als Sultan Süleyman der Zweite.« Sie lachte ganz leise. »Was für ein Glück, dass der Machdi kein Dummkopf ist, nicht wahr?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Andrej. Hinter ihnen ließ Hadschi ein ärgerliches Zischen hören, doch erfuhr unbeeindruckt fort: »Ich bin ihm nie begegnet.«
    »Dann warte ab. In seiner Gegenwart wirst du anders denken.«
    »Wenn man dich so hört, dann könnte man meinen, der Prophet selbst wäre wiedergeboren worden«, antwortete Andrej spöttisch. Jedenfalls versuchte er, spöttisch zu klingen, aber er hörte sogar selbst, wie kläglich dieser Versuch scheiterte.
    Murida nickte sehr ernst. »Manche glauben das tatsächlich.«
    »Und du?« Andrej spürte, dass ersieh auf dünnem Eis bewegte, doch Murida lächelte weiter, und auch ihre Stimme blieb ruhig. Sie hatte sich verändert, seit sie hierhergekommen waren. Die sonderbare Umgebung, die allen anderen Angst machte (Andrej eingeschlossen), schien ihr Selbstvertrauen nur zu steigern.
    »Nein. Warum auch? Der Machdi ist kein Prediger, Andrej.
    Er behauptet nicht, im Namen Allahs zu sprechen, und gewiss will er keinen neuen Koran schreiben oder gar eine neue Religion ausrufen. Er spricht den Menschen aus dem Herzen, das ist sein Geheimnis. Er verspricht ihnen nichts, und er verlangt nichts von ihnen. Vielleicht lieben sie ihn deshalb so sehr.«
    »Ja, das habe ich gesehen«, erwiderte Andrej. »Wie viele Männer habt ihr auf dem Fluss verloren, alles zusammen?
    Dreihundert? Fünfhundert?«
    »Und noch mehr werden sterben, bevor unser Kampf vorüber ist«, sagte Murida mit heiterer Miene. »Manchmal muss die Freiheit mit Blut erkauft werden. Selbst mit dem Unschuldiger.«
    »Sind das die Worte des Machdi?«, fragte Andrej.
    »Es sind meine Worte«, erwiderte Murida, plötzlich heftig.
    »Hörst du denn gar nicht zu, Andrej, oder haben Süleymans Worte schon deine Seele vergiftet? Es ist nicht der Krieg des Machdi! Er ist ein Mann des Friedens, dem ein Menschenleben mehr gilt als alle Reichtümer der Welt zusammen! Er würde niemals zum Krieg aufrufen! Es sind die Menschen, die sich gegen die Tyrannei des Sultans auflehnen, nicht er. Er gibt uns nur die Kraft, diesen Kampf zu kämpfen. Und zu gewinnen.« »Und wie?«
    »Nicht so, wie du vielleicht denkst, Ungläubiger«, antwortete Murida, plötzlich wieder feindselig. Sie ging ein wenig schnellernichtsehr, das war in dem mittlerweile fast zur Hälfte mit Sand gefüllten Raum gar nicht möglich -aber Andrej hatte verstanden.
    Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Es waren ohnehin nur noch einige wenige Schritte, bis sie in einen Raum kamen, in dem es keine Tür mehr gab. »Hilf mir!«
    Das war eindeutig mehr ein Befehl als eine Bitte gewesen, fand Andrej, und noch dazu einer, dessen Sinn ihm zumindest zweifelhaft erschien. Dennoch trat er gehorsam neben die junge Frau und half ihr, als sie mit bloßen Händen im Sand zu graben begann, und sogar Hadschi gesellte sich zu ihnen.
    Zuerst kam Andrej das, was sie taten, vollkommen sinnlos vor. Der Sand war so fein, dass es war, als würde er Wasser mit bloßen Händen schöpfen, doch Murida grub wortlos und mit verbissener Miene weiter, und schließlich hatte sie wohl gefunden, wonach sie suchte: Ihre Hand versank bis über das Gelenk in staubfeinem Sand und umklammerte einen schweren eisernen Ring, als sie wieder zum Vorschein kam. Wortlos griff Andrej zu, doch es bedurfte auch noch Hadschis Kraft, um den Widerstand des Sandes zu überwinden, der sich wie bleischweres Wasser verhielt.
    Als er schließlich nachgab, geschah es – selbstverständlich – so überraschend, dass sie alle zurückstolperten und der Länge nach auf den Rücken fielen. Wortlos stemmte Andrej sich hoch, half Murida auf die Füße (Hadschis fordernd ausgestreckte Hand ignorierte er) und beugte sich dann behutsam vor, um in die Tiefe zu blicken. Sehr viel gab es nicht zu sehen. Der eiserne Ring hatte eine aus

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