Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
zwei schnellen Schritten wieder bei Murida.
Die größer werdende Lache aus Blut, in der sie lag, glänzte wie geschmolzenes Metall, und ihr Geruch vermischte sich mit dem leisen Aroma des Kat zu etwas, das er kaum noch ertrug.
Er hörte, wie der Machdi wieder hinter ihn trat. »Nur wenn du es zulässt, Unsterblicher.«
»Was soll das?«, fragte Andrej. Er spürte das Lächeln des unsichtbaren Gesichtes hinter den Schatten und glaubte ein lautloses Wispern zu hören, nicht in seinen Gedanken, sondern tief darunter, auf einer Ebene seines Begreifens, von dessen Existenz er bisher nicht gewusst hatte, gehörte diese Erkenntnis doch zu jenen Dingen, von denen Menschen besser nichts wissen sollten. »Du weißt, wovon ich spreche, Hexenmeister«, antwortete der Machdi. »Das hier ist kein Ort für Lügen.
Muss ich dir das wirklich sagen?«
Hexenmeister …
Nein, er war nicht überrascht, dass der Machdi ihn so nannte. Eher fragte ersieh, ob es ein Versehen war. Doch nichts, was dieser Mann tat, war ein Versehen oder auch nur Zufall.
Der Machdi sah ihn an, wartete auf eine Antwort, die er nicht bekommen würde, weil Andrej nicht dazu fähig war. Da war nur Dunkelheit in ihm. Zugleich war ihm, als würde ihn etwas einschätzen und bewerten, ohne dass er sagen konnte, zu welchem abschließenden Urteil dieses Etwas kam oder ob es ihm freundlich oder feindselig gesonnen war. Kälte hüllte ihn ein, kroch in seine Seele und seine Gedanken und bohrte sich wie mit Messerklingen in die schwärzesten Abgründe seiner Seele, als suchte es den unsagbaren Schrecken zu befreien, den er dort eingesperrt hatte. Etwas geschah mit ihm. Er wusste nicht, was es war. Aber es machte ihm Angst.
»Du kannst sie retten, Unsterblicher«, fuhr der Machdi fort, und nun wurde seine Stimme leiser und eindringlicher und auf eine Art beschwörend, die Andrejs Furcht noch weiter schürte. Das Schlimme war, dachte Andrej, dass er damit recht hatte. Murida starb buchstäblich unter seinen Händen. Er spürte, wie das Leben aus der grotesk kleinen Wunde über ihrem Herzen herausfloss und die Flamme in ihrem Inneren langsam erlosch. Ihre Zeit lief ab, und dasselbe galt auch für die seine.
»Willst du, dass sie stirbt, Andrej?«, fragte der Machdi. Da war kein Vorwurf in seiner Stimme, keine Feindseligkeit, sondern allenfalls ein sachtes Interesse und vielleicht eine Spur Erstaunen. »Nein«, brachte er heraus. Sie durfte nicht sterben. Es durfte nicht schon wieder geschehen. Etwas regte sich in Andrej, griff in Murida hinein und tastete und suchte … und zog sich wieder zurück.
»Worauf wartest du?«, fragte der Machdi.
»Nein«, sagte er noch einmal und zog die Hand zurück.
Etwas änderte sich. Die Schatten unter der Kapuze wogten stärker, und nun meinte er doch so etwas wie ein Gesicht wahrzunehmen, auch wenn es ihm unmöglich war, es zu erkennen, denn seine Züge schienen sich in beständiger unruhiger Bewegung zu befinden, wie ein Spiegelbild auf schnell fließendem Wasser. Das Wispern hatte wieder eingesetzt, klang aber nun weniger verlockend als ärgerlich, als wären die Geister dieses Ortes verstimmt über seine Entscheidung.
»Ich kann es nicht«, flüsterte er. »Verzeih mir!« Die Worte galten Murida, aber es war der Machdi, der antwortete. »Weil du es nicht willst? Bedeutet sie dir so wenig?«
»Es wäre falsch.« Das war alles, was er dazu sagen konnte, weil Worte die Wahrheit nicht zu beschreiben vermochten.
Andrej rechnete mit heftigem Widerspruch, doch stattdessen schritt der Machdi langsam um ihn herum, ließ sich ihm gegenüber an Muridas Seite in die Hocke sinken und hob dann beide Hände, um die Kapuze zurückzuschlagen. Das Gesicht, das darunter zum Vorschein kam, war grau vor Schmerz und vollkommen ausdruckslos.
»Sie hat mir erzählt, dass du etwas für sie empfindest.
Jedenfalls hatte sie diesen Eindruck. Hat sie sich geirrt?«
»Hat sie sich geirrt, als sie geglaubt hat, dass du sie liebst?«, fragte Andrej.
Sharif schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Das hier … hätte nicht passieren dürfen.« Er nickte zu dem reglosen Körper hinter Andrej. »Ich habe ihm vertraut. Mein zweiter Fehler und sicher mein größter. Wenn du mich dafür zur Rechenschaft ziehen willst, dann tu es. Aber hilf meiner Tochter! Bitte!«
Warum quälte ihn dieser Mann so, der ihn doch gerade noch so eindringlich gebeten hatte, sich seiner Sache anzuschließen? »Du hast von Anfang an gewusst, was wir sind, habe ich recht?«, fragte
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