Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
hatte nichts tun können? Schmerz schlug warnungslos in Zorn um und Zorn in Wut und den bedingungslosen Willen, jemanden zu verletzen, anderen wehzutun, ganz einfach, weil ihm wehgetan worden war, und ohne Ansicht der Person oder gar der Frage nach Schuld.
Doch dann spürte er, dass das, was da in der Dunkelheit hinter ihm lauerte, seinen Zorn genoss wie einen erlesenen Wein, ihn aufsaugte und ihn zu etwas anderem und ebenso Unbekanntem wie Schrecklichem machte. Seine Hände begannen zu zittern, und die Düsternis kroch plötzlich auf lautlosen Spinnenfüßen in ihn herein und begann seine Gedanken zu vergiften und weckte jenen Teil von ihm, den er über so viele Jahre hinweg verleugnet und bekämpft hatte. Er wollte etwas packen und zerreißen, jemanden töten, nicht, um sich an seinem Leben zu nähren, sondern einfach nur, um es auszulöschen.
Andrej streckte die Hand nach Murida aus, und dieses Mal gelang es ihm, die Bewegung zu Ende zu führen und ihr Gesicht zu berühren, aber er war nicht froh darum. Muridas Haut war so kalt und glatt wie Porzellan. Ihr Puls raste, und selbst in den Fesseln der Ohnmacht gefangen zuckten die Augäpfel hinter den Lidern hin und her. Ihre Haut war zu kalt, dachte Andrej angstvoll, obwohl ihr Herz schlug – noch. »Was geschieht mit ihr?«, fragte er. »Sie stirbt«, antwortete der Machdi. »Sie war ein tapferes Mädchen. Dumm, aber tapfer. Sie wird mir fehlen. Ich habe nicht viele so treue Anhängerinnen.« Eisige Wut von einer gänzlich anderen, verderblichen Art ergriff von Andrej Besitz. Seine Fingerspitzen blieben auf Muridas Gesicht, obwohl sich die schreckliche Kälte ihrer Haut wie Säure in ihn hineinzubrennen schien, doch die andere Hand ballte er mit solcher Kraft zur Faust, dass seine Gelenke wie zerbrechender Reisig knackten. Es war unmöglich, dass der Machdi das Geräusch nicht hörte oder nicht um seine Bedeutung wusste, doch Andrej fühlte nur sehr wenig Furcht hinter den unsichtbaren Augen, allenfalls etwas wie eine boshafte Vorfreude. Und das war mehr, als er in diesem Moment ertragen konnte. Blitzartig packte er zu … … und griff ins Leere.
Es war unmöglich. Niemand war so schnell wie er, wenn er es wirklich wollte, und er wollte den Machdi packen, ihm die schützenden Schatten vom Gesicht reißen und die Faust hineinrammen, um es zu zerschmettern und das Leben ebenso aus ihm herauszuprügeln, wie es auch aus Murida floh. Doch er war nicht mehr da.
Andrejs Hand packte ins Leere. Durch die hastige Bewegung verlor er in der Hocke das Gleichgewicht und wäre um ein Haar gestürzt. Den Schwung seiner eigenen Bewegung nutzend, rollte sich Andrej wiederauf die Füße und griff diesmal mit beiden Händen zu, doch die schattengleiche Gestalt entschlüpfte ihm erneut. Es war, als versuchte er Nebel zu ergreifen. Sein Misserfolg machte ihn nur noch zorniger. Er zog das Schwert und schlug nach dem schwarz und golden flackernden Schemen vor sich, doch der Hieb ging ebenso ins Leere wie seine zupackenden Hände. Der Machdi wich nur noch weiter vor ihm zurück, in eine Richtung, in der es eigentlich gar keinen Raum mehr gab. Andrejs Hiebe wurden ungestümer, bis der Machdi schließlich mit der Linken seine Schwerthand packte und mit der anderen seinen Kragen, um ihn so wuchtig gegen eine der Säulen zu schmettern, dass roter Schmerz in seinem Hinterkopf explodierte und ihn eine Woge von Übelkeit überkam. Der Machdi war stark, doch tief in sich spürte Andrej, dass er ihn besiegen konnte, wenn er seinen Zorn nur richtig nutzte, statt in sinnlose Raserei zu verfallen. Der Machdi war kein Unsterblicher. Als Andrej sein Gewicht verlagerte und die Muskeln spannte, um sich loszureißen, machte der Machdi eine Bewegung, so blitzschnell, dass Andrej sie nicht einmal sah, die aber zur Folge hatte, dass plötzlich erden Saif in der Hand hatte und gegen Andrejs Kehle drückte. Die Klinge war so scharf, dass sie seine Haut ritzte, obwohl sie ihn kaum berührte.
»Hör auf, Andrej!«, fauchte er. »Ich kann deinen Schmerz verstehen, aber es geht nicht um uns! Willst du ihr helfen oder deine Zeit damit verschwenden, gegen mich zu kämpfen?« Ohne seine Antwort abzuwarten, ließ er ihn los, trat einen Schritt zurück und warf das Schwertauf den Boden. Das helle Geräusch hallte viel zu lange in der Schwärze jenseits des Fackelscheins wider.
»Sie stirbt, Andrej«, sagte er noch einmal. »Wenn du es zulässt.«
Andrej starrte in die Schwärze unter der Kapuze, dann war er mit
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