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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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diesem Moment hörte er ein Geräusch hinter sich, und dieses Mal war er sicher, es sich nicht nur eingebildet zu haben. So schnell, dass sein schattengesichtiges Gegenüber immerhin leicht alarmiert zusammenfuhr, drehte er sich auf dem Absatz herum und griff nach seiner Waffe. Dennoch war er zu langsam. Etwas bewegte sich, schneller, als ein Mensch es können sollte, Schatten huschten, wo keine waren, und Metall blitzte in rotem Licht. Jemand schrie – Murida –, und der Saif hackte wie aus eigenem Antrieb nach dem heranrasenden Schemen, verfehlte ihn um Haaresbreite und grub sich stattdessen tief in den Oberschenkel der Gestalt, die den Dolch geschleudert hatte. Der dumpfe Laut, mit dem sich die heimtückische Waffe in Fleisch und Knochen bohrte, ging im schmerzerfüllten Kreischen des Angreifers unter, der zurücktaumelte und zusammengebrochen wäre, hätte Andrej ihm nicht mit einem Sprung nachgesetzt und ihn aufgefangen. Scharf geschliffener Stahl blitzte, als der Mann eine zweite Waffe unter dem Gewand hervorzog. Andrej schlug seinen Arm mit einem Ellbogenstoß zur Seite, der sein Handgelenk zertrümmerte und ihn nicht nur entwaffnete, sondern ihm auch ein qualvolles Wimmern entlockte, rammte den Angreifer mit Wucht auf den steinernen Boden und war den Bruchteil eines Lidschlages danach über ihm, die Hand zur Faust geballt und zum tödlichen Hieb erhoben. Er roch Blut und spürte Schmerz und unbeschreibliche Furcht, die nicht nur von dem niedergerungenen Attentäter stammten. Der Machdi rief etwas, das er in seiner Erregung nicht verstand. Im allerletzten Moment besänftigte er die Stimme in sich, die lautlos und nahezu unwiderstehlich nach Blut und Tod schrie, und nahm seinem Hieb genug Kraft, um den Angreifer zuverlässig zu betäuben, aber nicht zu töten. Nicht einmal einen ganzen Atemzug nachdem der Dolch an ihm vorübergeflogen war, war er bereits wieder auf den Füßen und herum -und erstarrte.

Kapitel 36
    Er hatte gehört, dass der Dolch getroffen hatte. Er roch das Blut und spürte den Schmerz und die Furcht, die den Raum wie die alles verschlingenden Wellen eines Ozeans erfüllten, und er hatte sich schon vor Jahrhunderten verboten, sich von dem Entsetzen berühren zu lassen, das mit dem Anblick einherging, wenn ein Menschenleben vor der Zeit und sinnlos beendet wurde. Und dennoch war es ihm für einen Moment, als hätte sich der tödliche Stahl in sein eigenes Herz gebohrt.
    Die Klinge hatte nicht den Machdi getroffen, auf den sie gezielt gewesen war. Vielmehr hatte sie sich kaum einen Fingerbreit über dem Herzen in Muridas Brust gebohrt.
    Er sollte diesen Schmerz nicht spüren. Da sollte kein Schrecken sein, sondern allenfalls ein sachtes Bedauern, denn bei aller Schönheit und allem, was er für sie empfand und sich nur nicht eingestehen wollte, war sie am Ende doch nur eine Sterbliche, ein Mensch, dessen Leben verglichen mit Abu Dun und ihm kaum einen Atemzug währte, und das vorbei war, noch bevor es wirklich beginnen konnte. Und da war noch ein anderer, viel schrecklicherer Grund, aus dem er sich selbst geschworen hatte, niemals wieder mehr als bloße Sympathie oder allenfalls körperliches Verlangen für eine Frau zu empfinden.
    Nichts davon zählte mehr.
    Andrej ließ das Schwert fallen, war mit einem Satz neben Murida und der Gestalt des Machdi, die hinter ihr auf die Knie gesunken war, und streckte beide Hände nach der verwundeten Frau aus, wagte aber nicht, sie zu berühren. Alles drehte sich. Der Machdi; dieser finstere Hort der Götter; die Tatsache, dass er den Antworten auf so viele Fragen vielleicht näher war als jemals zuvor im Leben -alles war bedeutungslos geworden. Da waren nur noch diese sterbende Frau, deren Leben in einem dünnen hellroten Strom aus ihrem Körper herausfloss und ihr Gewand tränkte, und das unendliche Entsetzen, als er begriff, dass es schon wieder geschah. Er war erneut zum Todesengel geworden, und wieder hatte seine Liebe -vielleicht seine bloße Nähe einem unschuldigen Menschen das Verderben gebracht. »Was … was hast du … getan?«, flüsterte er, und der Machdi unterbrach ihn: »Ich konnte es nicht verhindern, Andrej. Es tut mir leid.«
    »Was hast du getan?«, fragte Andrej noch einmal und jetzt mit eisiger Stimme, in der purer Stahl und das Versprechen auf Tod mitschwangen.
    »Ich konnte nichts tun«, erwiderte der Machdi. »Sie … sie hat den Dolch mit ihrem eigenen Körper aufgefangen.
    Ich konnte nichts mehr tun. Sie war zu schnell.« Er

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