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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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intensiver werdenden Gefühls erwehren, etwas auf gespenstische Weise Lebendigem gegenüberzustehen, etwas, das jeden Moment aus seiner vermeintlichen Starre erwachen und ihn packen würde, um ihm etwas Unbeschreibliches anzutun.
    »Sie müssen ein erstaunliches Volk gewesen sein, Andrej.«
    »Zumindest hatten sie eine lebhafte Fantasie«, sagte Andrej unbehaglich.
    »Und wer sagt dir, dass diese Figur der Fantasie des Künstlers entsprungen ist?«, fragte Sharif.
    »Mein gesunder Menschenverstand?«
    Sharif lachte, leise und ohne echten Humor. »Gesunder Menschenverstand wird im Allgemeinen überschätzt.
    Abgesehen davon behaupten nicht wenige, sie wären tatsächlich Götter gewesen, die nur für eine Weile unter den Menschen gelebt und deren Gestalt angenommen haben. Wer weiß-vielleicht haben sich ja nicht alle diese Mühe gemacht.«
    »Ja.« Andrej ging weiter, sodass Sharif ihm wohl oder übel folgen musste, wollte er nicht Gefahr laufen, allein in der Dunkelheit zurückzubleiben. »Ich habe davon gehört, dass es Leute geben soll, die es lieben, sich für andere auszugeben.«
    Darauf erwiderte Sharif nichts mehr.

Kapitel37
    Es war Andrej nicht möglich zu sagen, wie lange sie für den Rückweg gebraucht hatten. Sein Zeitgefühl hatte ihn ebenso im Stich gelassen wie seine Sinne, auf die ersieh doch sonst so zuverlässig verlassen konnte. Es war, als wären sie tatsächlich in eine fremde Welt eingedrungen, in der die Gesetze der Ihrigen nicht mehr ihre gewohnte Gültigkeit hatten. Ein absurder Gedanke, der ihn aber trotzdem nicht losließ, sondern sich in einem Winkel seines Hinterkopfs einnistete wie eine Spinne, die geduldig in ihrer Höhle lauerte und auf ein Opfer wartete, um ihm ihr Gift zu injizieren.
    Immerhin führte der Weg nur auf dem ersten Stück durch das unheimliche Grab, ehe die sorgsam behauenen Wände geborstenem Fels und schließlich einer natürlichen Höhle wichen, die nur hier und da künstlich erweitert worden war, um das Durchkommen zu ermöglichen.
    Auf dem letzten Stück brauchte Sharif dann doch seine Hilfe, um Murida zu tragen, denn es bestand aus einer mit spitzem Geröll übersäten Böschung, die so steil war, dass sie sie nur auf Händen und Knien kriechend überwinden konnten.
    Rotes Sonnenlicht empfing sie, als sie durch einen schmalen Spalt ins Freie krochen. Die Dämmerung war gerade vorbei, und es war jene kostbare Stunde des Tages, wenn die Kälte der Nacht gewichen und die Hitze der Wüste noch nicht unerträglich geworden war. Kostbare Minuten, um genau zu sein. Die Luft über der Wüste im Osten flimmerte bereits vor Hitze. Andrej war überrascht. Sie mussten etliche Stunden in dem unterirdischen Labyrinth zugebracht haben. Deutlich mehr, als er angenommen hatte.
    Sharif stolperte hinter ihm ins Freie, fiel erschöpft auf die Knie und ließ das bewusstlose Mädchen sanft zu Boden gleiten. »Warte hier«, sagte er, stemmte sich augenblicklich wieder hoch und stolperte mehr, als erging, in Richtung einiger gewaltiger Felsbrocken davon, die in einiger Entfernung dalagen wie die Spielzeuge eines Götterkinds, das sie achtlos liegen gelassen hatte. Andrej war so verblüfft, dass Sharif schon ein Dutzend Schritte entfernt war, bevor er begriff, was er vorhatte. Er dachte kurz daran, ihn zurückzurufen, ging dann aber zu Murida.
    Sie lag so reglos da, dass man sie für tot hätte halten können, doch Andrej hörte nicht nur ihren Herzschlag, sondern auch, wie regelmäßig und kraftvoll er war, wie das Geräusch eines zuverlässigen kleinen Uhrwerks, das auch noch für die nächsten Tausend Jahre weiterlaufen würde.
    Etwas an diesem Gedanken kam ihm falsch vor. Was, dachte er, wenn sein Geschenk in Wahrheit ein Fluch gewesen war? Sharif war der Meinung, er hätte ihr ein neues Leben geschenkt, aber vielleicht hatte er ihr ja auch nur einen friedvollen Tod gestohlen. Er hatte zu oft erlebt, dass es so gekommen war.
    Sharif kam zurück, zwei prachtvoll aufgezäumte Pferde mit sich führend, die wohl zwischen den Felsen verborgen gewesen waren. Wortlos hob Andrej das Mädchen auf und ging ihm entgegen, runzelte aber dann die Stirn und sagte: »Zwei?«
    »Es waren drei Pferde«, behauptete Sharif. »Jemand muss eines gestohlen haben. Die Welt ist schlecht.« »Und voller schlechter Lügner«, bestätigte Andrej, allerdings mit der Andeutung eines Lächelns. »Wie wahr«, sagte Sharif. Er saß auf, rückte in eine sichere Haltung und streckte die Arme aus, damit er ihm Murida

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