Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
überrennen. Er hat wie ein tollwütiger Derwisch unter ihnen gewütet, aber die Übermacht war einfach zu groß.« »Ich wüsste es, wenn er tot wäre«, beharrte Andrej. Natürlich stimmte das nicht, aber es war die einzige Hoffnung, an die ersieh noch klammern konnte. Abu Dun und er waren schon so lange zusammen, dass allein der Gedanke absurd war, er könnte nicht mehr da sein. Sharif sah ihn auf eine Art an, die sehr deutlich machte, was er von dieser Behauptung hielt, beließ es aber auch bei einem Schulterzucken, und Andrej verließ das Haus und ging zu den Pferden.
Sie hatten die Tiere nicht angebunden – es gab in weitem Umkreis nichts, wohin sie hätten laufen können, und die Pferde waren klug genug, das zu wittern –, und sie waren zur anderen Seite des kleinen Sees gelaufen, um zu saufen. Andrej verband das Angenehme mit dem Nützlichen, indem er Mantel und Waffengurt ablegte und sich ins Wasser gleiten ließ, um mit wenigen kraftvollen Stößen ans andere Ufer zu schwimmen. Das Wasser war so warm, dass es kaum Erfrischung brachte, aber nach den schlammbraunen Fluten des Nil, in denen er öfter gebadet hatte, als ihm lieb war, fühlte er sich zum ersten Mal seit Tagen wieder sauber. Er plantschte eine geraume Weile herum, bevor er auf der anderen Seite wieder ans Ufer stieg und sich daranmachte, die Satteltaschen nach etwas Essbarem zu durchsuchen.
Das Ergebnis war alles andere als erfreulich. Es gab ein wenig steinhartes Fladenbrot und getrocknete Datteln, von denen Andrej eine probierte und sie am liebsten sofort angewidert ins Wasser gespuckt hätte. Nein, er würde Sharif und seine Tochter gewiss nicht bis nach Karthoum begleiten. Schon wegen ihrer Essgewohnheiten.
Andrej lächelte über seinen eigenen Gedanken und zwang sich trotzig, auch noch eine zweite Dattel hinunterzuwürgen, auch wenn er nach wie vor der Meinung war, dass es wie etwas schmeckte, das aus dem falschen Ende eines Kamels kam. Aber es war Nahrung, und er würde Kraft brauchen.
Aber vielleicht tat es ja auch ein Stück Brot. Einer der Vorteile dessen, was er war, bestand unzweifelhaft darin, dass ersieh keine Gedanken darüber machen musste, sich einen Zahn auszubeißen.
Er spürte es, als er die Satteltasche öffnete. Jemand - etwas? – kam. Andrej blieb reglos stehen, um mit geschlossenen Augen zu lauschen, kam aber zu keinem Ergebnis und lief schließlich eine flache Sanddüne hinauf.
Auf dem letzten Stück ließ er sich auf Hände und Knie hinab und kroch auf dem Bauch weiter, um von der anderen Seite nicht gesehen zu werden. Eine Vorsichtsmaßnahme, die sich allerdings als überflüssig herausstellte.
Seine Sinne hatten ihn nicht getrogen. Von Westen her näherten sich etliche Gestalten, noch zu weit entfernt, um sie zu erkennen oder auch nur ihre genaue Anzahl zu schätzen. Ein knappes Dutzend, vermutete Andrej, auf Kamelen. Sie hatten es weder besonders eilig, noch versuchten sie, ihre Anwesenheit zu verhehlen … was ihnen inmitten der Unendlichkeit aus sonnenverbranntem Stein auch kaum möglich gewesen wäre.
Andrej beobachtete die kleine Karawane einige weitere Momente, kroch den Weg dann auf dieselbe Weise wieder zurück, auf die er gekommen war, und eilte zu den Pferden. Obwohl es sich kaum lohnte, saß er auf, ergriff die Zügel des zweiten Pferdes und ritt das kleine Stück um den See herum zum Haus zurück. Er machte sich nicht nur die Mühe, die beiden Pferde unweit des Eingangs festzubinden, sondern holte auch noch seinen nassen Mantel und den Schwertgurt.
Ganz wie er es erwartet hatte, saß Sharif neben seiner Tochter, als er eintrat. Doch er war überrascht zu sehen, dass Murida nicht mehr schlief, sondern sich auf beide Ellbogen hochgestemmt hatte und ihn aus klaren, wenn auch leicht verwirrt dreinblickenden Augen ansah. Und auch Angst las er darin.
»Jemand kommt«, sagte er, bevor Sharif auch nur einen Laut herausbekam. »Reiter. Viele. Vielleicht ein Dutzend.«
Sharif reagierte genauso, wie er es von einem Mann wie ihm erwartet hatte. Er drückte Murida mit sanfter Gewalt auf das schmuddelige Lager zurück, stand dann ohne ein weiteres Wort auf und verließ das Gebäude.
»Von Westen her«, rief Andrej ihm noch nach, wartete vergebens auf eine Antwort und nahm dann Sharifs Platz neben dem Mädchen ein. Eine ganze Weile saß er einfach nur da und sah sie an. Murida hielt seinem Blick länger stand, als er es erwartet hätte. Und am Ende war sogar er es, der das Schweigen brach. »Fühlst du dich
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