Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
barbarische Ungläubige getan haben mag, nachdem er dich in jenes Haus auf dem Basar gezerrt hat, aber ich kann mich an nichts erinnern, dessen ich mich schämen müsste.« »Ich habe vier Monate gebraucht, um ihr Vertrauen zu erringen!«, fauchte das Mädchen. »Noch ein oder zwei weitere Monate, und ich hätte alles über sie gewusst! Auf jeden Fall genug, um ihre Organisation hier in Konstantinopel zu zerschlagen und vielleicht sogar den Machdi selbst zu fassen! Und dann kommst du und machst alles zunichte!«
»Deshalb die Ohrfeige?«, fragte Andrej.
»Das war ja wohl das Mindeste!«
Andrej deutete auf Abu Dun. »Aber er hat deinen angeblichen Vater enttarnt, nicht ich.«
»Du warst näher«, zischte Murida.
Abu Dun lachte leise, erinnerte sich dann anscheinend an Sharifs Worte und begann schneller zu essen. »Murida hat recht«, mischte sich Sharif ein. »Es hat lange gedauert, bis es uns gelungen ist, jemanden in die Reihen des Machdi einzuschleusen. Versucht haben wir es oft genug, aber jeder Mann, den ich geschickt habe, ist entweder einfach verschwunden, oder sie haben uns seinen Kopf in einem Korb zurückgeschickt. Murida war die Erste, der es gelungen ist, ihr Vertrauen zu erringen.«
»Dann kennst du die Agenten des Machdi in dieser Stadt?«, fragte Andrej.
»Ich kannte drei«, antwortete das Mädchen zornig. »Ihr habt sie umgebracht.«
Andrej machte ein betroffenes Gesicht, und in Muridas Augen blitzte es nur noch zorniger. »Es war alles umsonst!«, sagte sie. »Jetzt kann ich von vorne anfangen! Falls es mir überhaupt gelingt!«
Sharif ging zu einem kleinen Tischchen vordem Diwan, auf dem Murida saß, und nahm davor Platz, und Andrej und schließlich auch Abu Dun, der sich eine dreifache Portion Obst und kaltes Lammfleisch auf ein silbernes Tablett gehäuft hatte, taten es ihm gleich. Murida rutschte auf ihrem Diwan so weit von ihnen weg, wie es ging, und nahm sich zusätzlich noch ein paar große Brokatkissen, um sich mit angezogenen Beinen dahinter zu verbarrikadieren. Aber wenigstens lief sie nicht wieder davon.
»Wir haben nicht alle Zeit der Welt«, begann Sharif, »deshalb werde ich euch in aller Kürze erzählen, was wir über den Machdi und seine Anhänger wissen. Viel ist es ohnehin nicht, wie ich gestehen muss. Und das meiste von dem wenigen, das wir wissen, haben wir von Murida erfahren.«
Andrej war nicht überrascht – nicht darüber. Er hatte von Anfang an gespürt, dass dieses Mädchen etwas Besonderes war. Er warf ihr einen anerkennenden Blick zu, erntete aber nur ein weiteres zorniges Funkeln aus ihren schönen Augen. Sharif fuhr fort: »Sie treiben ihr Unwesen schon länger, und ich gestehe, dass wir sie am Anfang nicht so ernst genommen haben, wie es vielleicht gut gewesen wäre.«
»Weil diese Sekten und Fanatiker fast schneller auftauchen und wieder verschwinden, als man sich ihre Namen merken kann«, vermutete Andrej. Sharif nickte, antwortete aber trotzdem: »Diese nicht. Der Machdi ist … anders.« Wäre es nicht so, dann wären sie nicht hier, dachte Andrej. Er wusste von Sharif immer noch nicht viel mehr als seinen Namen, aber ihm war dennoch klar, dass er weit mehr war als ein gewöhnlicher Janitscharenhauptmann. Die Erkenntnis kam vielleicht ein bisschen spät, aber er war zweifellos gut beraten, sich diesen Mann nicht zum Feind zu machen. »Wer ist er?« »Der Machdi?« Sharif schüttelte heftig den Kopf. »Das weiß niemand. Manche glauben, er sei der wiedergeborene Prophet oder die Reinkarnation Saladins, der gekommen ist, um unser Volk endgültig zum Sieg über die Ungläubigen zu führen. Andere wieder halten ihn für einen Verrückten oder einen religiösen Fanatiker.« »Und Ihr?«
»Ich halte ihn auf jeden Fall für gefährlich«, antwortete Sharif ernst. »Vielleicht für gefährlicher, als der Sultan es tut. Am Anfang gab es nur hier und da Gruppen seiner Anhänger, aber seit einem Jahr treiben sie ihr Unwesen überall im Land, auch hier in Konstantinopel.«
»Warum tut ihr euch nicht einfach mit ihm zusammen?«, fragte Abu Dun. »Die Ungläubigen zu schlagen und die ganze Welt im Namen Allahs zu erobern, das klingt mir doch ganz nach etwas, das auch Süleyman gefallen dürfte.«
»Nur dass Sultan Süleyman in den Plänen des Machdi vermutlich nicht vorkommt«, fügte Sharif ernst hinzu und schüttelte den Kopf. »Es steht mir nicht zu, den Sultan und seine Berater zu kritisieren, doch was gerade geschieht, ist schlimm genug. Wir brauchen keinen
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