Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
Abu Dun den Rest seines eigenen Kat aus.
»Das wird für eine Weile reichen«, sagte der Machdi.
»Und danach?«
»Werden wir eine Lösung finden«, versprach der Bärtige.
»Was deinem Freund widerfahren ist, tut mir leid. So etwas lag gewiss nicht in meiner Absicht.«
»Sicher nicht«, sagte Abu Dun. »Deshalb versorgst du ja auch die halbe Stadt mit diesem Teufelszeug.« »Es war nicht für dich gedacht. Und dieses Teufelszeug, wie du es nennst, schwarzer Mann, gibt uns allen die Kraft, für unsere Sache zu kämpfen.« »Eure Sache oder deine?«
Hadschi fuhr zusammen und wollte nach seinem Schwert greifen, hielt dann aber inne. Auch der Machdi sah eher verletzt als zornig aus. Er sagte jedoch nichts, sondern drehte sich um, trat dicht ans Wasser heran und hob die Hand.
Wieder erscholl der Ruf einer Möwe, und nur einen Augenblick später glitt ein weiteres Boot auf sie zu, eine winzige Dau, die von einem einzelnen Mann gelenkt wurde und kaum Platz für ein Dutzend Passagiere bot. Andrej fragte sich, wie viele Boote wohl noch dort draußen in der Dunkelheit verborgen sein und nur auf einen Befehl ihres Herrn warten mochten. Für einen Mann, der im Geheimen operierte, dachte er, offenbarte ihnen der Machdi ziemlich viel. Vermutlich war das nichts, was ihn beruhigen sollte. Der Machdi wartete, bis das Boot mit einem leisen Scharren an der Kaimauer angelegt hatte und ging dann hin, um mit gedämpfter Stimme mit dem Bootsführer zu sprechen. Andrej hätte seine geflüsterten Worte trotzdem mühelos verstanden, wenn er es gewollt hätte, wandte sich jedoch stattdessen Abu Dun zu. Mit spöttischer Miene sagte er auf Deutsch: »Das gerade war echt, oder?« Doch seine Worte waren nicht im Geringsten scherzhaft gemeint. »Dass ich das Gefühl hatte, jemand würde mit einem glühenden Schürhaken in meinen Eingeweiden wühlen?«
Abu Dun feixte breit, aber in seinen Augen war auch ein Ernst, der Andrej einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
»Was redet ihr da?«, polterte Hadschi. »Sprecht so, dass ich euch verstehe!«
Sowohl Abu Dun als auch Andrej ignorierten ihn.
»War es echt?«, fragte Andrej noch einmal.
»Selbstverständlich war es echt«, antwortete Abu Dun betont. »Ich dachte, das hättest du gestern schon begriffen.
Und bei der Gelegenheit auch noch einmal herzlichen Dank für dein überaus großes Mitgefühl. Ich weiß gar nicht, wie ich das jemals wiedergutmachen soll.«
Andrej wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Abu Dun hatte ja recht, wie ihm die Stimme seines schlechten Gewissens erklären wollte, die nicht mehr verstummt war, seitdem er Abu Dun das erste Mal vor Krämpfen geschüttelt gesehen hatte. Vielleicht war die Vorstellung, jemand wie Abu Dun wäre nicht imstande, sich gegen ein lächerliches Kat-Blatt zu wehren, einfach zu grotesk. Sie waren Unsterbliche. Sie konnten weder vergiftet noch von irgendeiner Droge abhängig gemacht werden.
Und doch war es so.
Er wagte nicht einmal abzuschätzen, welche Konsequenzen diese Erkenntnis für Abu Dun haben mochte. Tatsächlich hatte er schlichtweg vorausgesetzt dass Abu Dun den Süchtigen nur spielte, um Sharif und den Sultan zu täuschen.
»Das Schicksal starker Männer«, antwortete er mit einem schiefen Grinsen. »Manchmal halten andere sie für so stark, dass sie gar nicht auf den Gedanken kommen, sie könnten wirklich verletzt werden.«
Abu Dun kniff misstrauisch das linke Auge zusammen. »Ist das jetzt ein Kompliment, oder willst du mich auf den Arm nehmen, Hexenmeister?«
»Ihr sollt so reden, dass ich euch verstehe!«, sagte Hadschi drohend. »Noch einmal warne ich euch nicht!«
»Andrej!«, rief der Machdi. »Wollt ihr mir folgen? Ich würde Euch gerne etwas zeigen.«
»Ist das wieder eine von diesen Einladungen, die man nicht ausschlagen kann?«, erkundigte sich Abu Dun lauernd.
Andrej warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, doch der Machdi winkte ab. »Lass nur«, sagte er. »Das gibt sich. In einer Stunde ist er wieder der Alte.«
»Das ist das Kat«, vermutete Andrej. »Ich bin nicht sicher, ob du dir wünschen solltest, dass er wieder ganz der Alte ist, sobald er erst einmal wirklich begreift, was dieses Zeug mit ihm tut.«
»Aber es tut nichts«, widersprach der Machdi.
»Außer dass man stirbt, wenn man es nicht mehr bekommt.«
Der Machdi ignorierte diesen Einwurf. »Das heilige Kat hilft den Menschen nur, die Kräfte zu nutzen, die ohnehin in jedem von uns schlummern«, sagte er feierlich. »Es gibt uns
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