Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
gerade noch Putztücher und Rosenkränze gehalten hatten, und auch auf den Emporen über ihnen wurde erbittert gekämpft. Schwerter klirrten, und Schreie gellten, dann stürzte eine Gestalt in einer goldfarbenen Rüstung aus der Höhe herab und schlug nur wenige Schritte neben Andrej auf dem Boden auf.
Andrej wehrte fast beiläufig einen weiteren Angriff ab, stieß einen Janitscharen zu Boden, der sich hinterrücks auf den Machdi stürzen wollte, und wurde zum Dank von gleich zwei Machdiji attackiert, denen es herzlich egal zu sein schien, wen sie vor ihre Schwerter bekamen. Andrej schickte sie mit einem gewaltigen Hieb zu Boden und war dann mit einem Satz an Abu Duns Seite, um ihm beizustehen. Nicht, dass es nötig gewesen wäre. Endlich wieder im Besitz einer Waffe, die seiner Größe angemessen war, wütete Abu Dun wie ein tobsüchtiger Derwisch (mit den Kräften eines Rhinozeros) unter Süleymans Männern und hatte schon drei von ihnen niedergestreckt.
Jeder schien gegen jeden zu kämpfen, und Andrej wagte nicht einmal zu mutmaßen, welche Seite die Oberhand gewann … oder wer zu wem gehörte. Schnell und ebenso routiniert wie effektiv hielt er sich seine Gegner vom Leib, ohne zu wissen, wer seine Gegner waren. Süleyman hatte mindestens zwanzig seiner gepanzerten Krieger mitgebracht, und dazu eine Anzahl Janitscharen, die mit ihren Musketen vielleicht sogar die größere Gefahr darstellten, doch auch auf der anderen Seite standen mindestens ebenso viele Männer, die ihren Gegnern nichts schuldig blieben. Der Machdi hatte die Wahrheit gesagt: Es war eine Falle gewesen, nur dass die, die sie vermeintlich aufgestellt hatten, sich mit einem Mal in der Rolle der Beute wiederfanden.
Wieder krachte eine Muskete. Irgendetwas raste mit einem Geräusch wie eine zornige Hornisse so dicht an Andrejs Gesicht vorbei, dass er den Luftzug zu spüren meinte. Einer der Janitscharen vor ihm ließ seine Waffe fallen und griff sich mit beiden Händen an den Hals, aus dem der gefiederte Schaft eines Armbrustbolzens ragte. Weitere gefiederte Geschosse schwirrten durch den Saal wie ein Schwärm zorniger Insekten, die sich nahezu wahllos auf alles stürzten, was sich bewegte. Eine weitere Muskete entlud sich krachend und spie Flammen und beißenden Rauch in Abu Duns Richtung, stanzte aber nur ein Loch in seinen Mantel, ohne ihn zu verletzen. Der nubische Riese revanchierte sich, indem er einen der Krieger vor sich packte und kurzerhand als lebendes Wurfgeschoss verwendete, um den Janitscharen auf andere Ideen zu bringen als etwa die, seine Waffe nachzuladen, und Andrej nutzte die Gelegenheit, um die ohnehin wankende Reihe der Krieger zu durchbrechen und sich auf Süleyman zu stürzen.
Der Sultan stand völlig reglos da, und auf seinem Gesicht war nicht einmal Furcht zu sehen, sondern nur ein Ausdruck vollkommener Fassungslosigkeit, als hätte er noch gar nicht begriffen, wie plötzlich und radikal sich alles geändert hatte.
Andrej gedachte nicht, ihm Zeit genug zu lassen, um es wirklich zu verstehen.
Ein Speer stieß nach ihm. Andrej sprang darüber hinweg, schlug den Speer dicht unterhalb der Spitze ab und ergriff den Säbel mit beiden Händen, noch bevor seine Füße den Boden berührten – geschweige denn das Gesicht des Kriegers hinter ihm, der durch seinen wuchtigen Hieb die Balance verlor. Süleyman stand noch immer mit offenem Mund da und schien ihn nicht zu sehen, und Andrej schwang den Saif zu einem Hieb, der ihn auf der Stelle enthaupten musste.
Jedenfalls hätte er es getan, wäre da nicht im letzten Moment ein anderer Säbel gewesen, der seinen Saif nicht nur Funken sprühend auffing, sondern ihn auch zurücktaumeln ließ und ihm einen Schmerzenslaut entrang, als der Großteil seiner eigenen Kraft in seinen Arm zurückgeschleudert wurde und dort als greller Schmerz explodierte. Sharif setzte ihm augenblicklich nach, versuchte ihm die Beine unter dem Leib wegzutreten und stach gleichzeitig nach seiner Schulter. Mit deutlich mehr Glück als Geschick wich er dem Tritt aus und wechselte den Säbel von der rechten in die linke Hand. Aber er war nicht schnell genug, Sharifs Waffe ganz zur Seite zu schlagen, sondern lenkte sie nur ein Stück weit ab. Sein rechter Arm war immer noch gelähmt von der Wucht, mit der Sharif seinen Hieb abgefangen hatte, und in seinen linken Bizeps biss jetzt ein kaum weniger schlimm brennender Schmerz, der ihn nicht nur wütend machte, sondern auch für einen entscheidenden Sekundenbruchteil
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