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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sehr wohl aber sein plötzliches Fehlen.
    Jetzt hatte sich dieses Brandungsrauschen geändert. Aus dem beruhigenden Murmeln war ein aggressives Zischeln und Wispern geworden, ein Laut wie von einer Armee winziger boshafter Insekten, die aus allen Richtungen zugleich herangestürmt kam. Gewalt lag in der Luft wie etwas Greifbares.
    »Andrej?«
    Erst jetzt wurde ihm klar, dass der Machdi etwas sagte, was er weder verstand, noch im Moment von Wichtigkeit war. Daher ließ er ihn auch nicht aussprechen, sondern unterbrach ihn mit einer rüden Geste. »Wir müssen hier weg«, sagte er. »Rasch!«
    »Ich sagte gerade zu Scheich Omar, dass Ihr und Euer Freund unserer Sache von großem Nutzen sein könntet«, sagte der Machdi, als hätte er ihn nicht gehört.
    »Versteht Ihr denn nicht?«, fauchte Andrej. »Das ist eine Falle!«
    Schritte näherten sich, sehr schnelle, sehr schwere und sehr harte Schritte, die vom Klirren von Metall begleitet wurden.
    »Und wenn man es genau nimmt, dann wart ihr das auch schon«, schloss der Machdi, noch immer vollkommen ungerührt, ja, sogar mit einem angedeuteten Lächeln. »Und selbstverständlichst es eine Falle.« Die große Doppeltür am anderen Ende flog mit einem Knall auf, der wie ein Kanonenschuss durch das gewaltige Kirchenschiff hallte, und bewaffnete Männer in goldblitzenden Rüstungen stürmten herein. Auch hinter ihnen klirrte Metall und dröhnten Schritte, und praktisch im gleichen Augenblick erschienen auch auf den Emporen über ihnen Männer in den goldfarbenen Rüstungen, die die Leibgarde des Sultans trug. Alles ging so schnell, dass Andrej kaum einen klaren Gedanken fassen konnte, da waren sie auch schon umzingelt, und ein Dutzend Speere und mindestens noch einmal dieselbe Anzahl Musketenläufe deuteten drohend auf sie. Seltsamerweise blieben sowohl der Machdi als auch seine greisen Begleiter vollkommen ruhig, und dasselbe galt auch für die beiden Männer, die der Machdi mitgebracht hatte. Lediglich Murida stieß einen spitzen Schrei aus und versuchte zu fliehen, wurde aber von einem der Soldaten grob gepackt und zurückgestoßen, während sich niemand um die wenigen Gläubigen oder das Reinigungspersonal kümmerte, die sich in Sicherheit brachten, stillschweigend und so geordnet, dass es Andrej wie ein geplanter Rückzug vorkam.
    Vier weitere Soldaten in goldblitzenden Rüstungen traten ein, gefolgt von Sultan Süleyman und Sharif. Süleyman war so pompös gekleidet, dass er schon fast grotesk aussah, während der Janitscharenhauptmann noch immer den verbrannten Mantel trug, in dem er am vorangegangenen Morgen lodernd zusammengebrochen war. Sein Gesicht war gerötet, wie nach einem schweren Sonnenbrand, und er hatte sich den Bart abgenommen, wodurch er erstaunlicherweise nun deutlich älter wirkte.
    »Sultan Süleyman«, sagte der Machdi. »Was für eine unerwartete Ehre!«
    Er lächelte nicht nur unerschütterlich weiter, sondern wandte sich dem Sultan auch direkt zu. Sein Mantel fiel auseinander, sodass man die Griffe von gleich zwei Schwertern sehen konnte, die er darunter trug. Als zwei Soldaten prompt ihre Musketen herumschwenkten und nun direkt auf ihn zielten, hob Süleyman rasch die Hand.
    »Machdi«, sagte er. »Auch ich freue mich schon lange auf dieses Treffen. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie sehr.«
    »Was fällt Euch ein!«, begehrte Omar auf. »Was erdreistet Ihr Euch, diesen heiligen Ort zu entweihen, indem Ihr ihn mit Waffen betretet?«
    Süleyman blickte stirnrunzelnd die beiden Schwerter an, die der Machdi unter dem Mantel trug, dann beinahe traurig Sharif, der daraufhin einem der Janitscharen einen stummen Wink gab.
    Eine einzelne Muskete entlud sich mit einem peitschenden Knall, und genau an der Spitze eines hypothetischen Dreiecks, dessen beide anderen Eckpunkte seine Augen bildeten, erschien ein rundes Loch in Omars Schädel. Er wirkte schlicht verblüfft und blieb tatsächlich so lange wie erstarrt stehen, bis ein dunkelroter Blutstropfen aus der Schusswunde quoll und über sein Gesicht lief. Dann kippte er lautlos nach vorn und schlug mit dem Gesicht auf dem Heiligenmosaik auf, sodass sein Blut genau über die beiden segnend ausgestreckten Finger lief. Erst eine weitere Sekunde danach verklang das vielfach gebrochene Echo des Schusses endgültig.
    Murida schlug die Hand so heftig vor den Mund, dass ihre Kapuze nach hinten fiel und nunmehr jeder sehen konnte, dass sie eine Frau war. Auf zwei oder drei Gesichtern erkannte Andrej

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