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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Anscheinend wissen deine Landsleute wahre Kunst zu würdigen«, sagte er.
    »Oder sie haben sich ausgerechnet, was es kosten würde, diesen ganzen Boden zu erneuern«, antwortete Abu Dun. »Stell dir nur vor, wie viele neue Kanonen und Schwerter man dafür kaufen kann … aber das meine ich nicht.« Er wies nun ganz eindeutig auf den alten Mann, mit dem der Machdi sprach. Andrej war nicht ganz sicher, ob sie nicht miteinander stritten. »Sein Gewand. Erkennst du es nicht?« Andrej sah genauer hin und schüttelte dann den Kopf, doch bevor Abu Dun zu einer Erklärung ansetzen konnte, drehte sich der Machdi herum und winkte ihm zu. Andrej ärgerte sich zwar, wie selbstverständlich er ihm Befehle erteilen zu können meinte, leistete der Aufforderung aber trotzdem Folge und begrüßte den alten Mann mit einem respektvollen, wenn auch knappen Nicken. »Das ist Andrej Delany, Scheich«, sagte der Machdi. »Der Mann, von dem ich Euch berichtet habe.«
    Der Greis bedachte Andrej seinerseits mit einem Nicken, doch in seinem Blick war nicht einmal eine Spur von Freundlichkeit, geschweige denn Wärme. Wer immer dieser Scheich Omar sein mochte, er war ganz gewiss niemand, mit dem Andrej Freundschaft schließen wollte.
    Aber diese Frage stellte sich vermutlich auch gar nicht.
    Der Machdi schien auf irgendetwas zu warten, dann räusperte ersieh unbehaglich und sagte: »Ihr solltet Omar etwas Respekt erweisen, Andrej. Er ist hier der …« Er überlegte einen Moment. »Es trifft es nicht ganz, aber in Eurer Heimat würde man ihn wohl einen … Bischof nennen.«
    Andrej deutete eine Verbeugung an. »Imam.«
    »Ich brauche keine Respektsbezeugungen von einem Ungläubigen«, sagte Omar kalt. »Was tust du hier? Hat dir niemand gesagt, wie heilig dieser Ort ist? Schon deine Anwesenheit hier ist Gotteslästerung! Wer hat dir gesagt, dass du hierherkommen sollst?«
    Andrej war einfach zu verblüfft, um dem zornigen Greis so zu antworten, wie er es nach dieser freundlichen Begrüßung eigentlich sollte, doch der Machdi kam ihm auch zuvor.
    »Ich habe Andrej und seinen Freund gebeten, sich unserer Sache anzuschließen, Scheich«, sagte er. »Sie könnten uns von großem Nutzen sein.«
    »Gebeten?«, sagte Omar, als wäre die Vorstellung absurd.
    Er legte den Kopf schräg und ging halb um Andrej herum, um ihn zuerst von der einen, dann von der anderen Seite zu betrachten, als würde er ein Pferd auf dem Markt begutachten. »Wir brauchen keine fremden Söldner, die für Geld töten.«
    »Wer hat von Geld gesprochen?«, mischte sich Abu Dun ein. Er war fast ein Dutzend Schritte entfernt, und Omar hatte nicht besonders laut gesprochen, doch wenn sich der Scheich darüber wunderte, dass er die Worte gehört hatte, dann ließ er es sich nicht anmerken. Sein Kopf ruckte mit einer Bewegung herum, die Andrej an einen dürren Raubvogel erinnerte, und der Zorn in seinen Augen loderte heiß.
    »Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass ihr für das Vergnügen, das Blut aufrechter Moslems zu vergießen, sogar auf euren Lohn verzichtet«, sagte er. »Dein Freund hier weiß es nicht besser, denn er ist ein Ungläubiger. Aber du? Ich weiß nicht, wen ich mehr verachten soll!« Er spie nicht wirklich aus, aber Andrej war, als hätte er es getan. Sein Blick war keine Spur freundlicher, als ersieh wieder zum Machdi herumdrehte und ihn anfuhr: »Warum bringst du diesen … Abschaum hierher? Willst du herausfinden, wie weit meine Geduld reicht?« Etwas … hatte sich verändert, ebenso unmerklich wie radikal. Im ersten Moment konnte Andrej nicht sagen, was, aber er war nicht der Einzige, dem es so ging. Obwohl er ihn nicht direkt ansah, registrierte er sehr wohl aus den Augenwinkeln, dass auch Abu Dun mit einem Mal deutlich angespannt war. Seine Hand war unter dem Mantel verschwunden, wo er normalerweise seine Waffe trug, und leer wieder zum Vorschein gekommen, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, als lauschte er auf etwas, auf das ersieh keinen Reim machen konnte.
    Oder das nicht mehr da war.
    Andrej griff ganz instinktiv ebenfalls nach einer Waffe, die er nicht hatte, und fragte sich, wieso es ihm eigentlich nicht sofort aufgefallen war: Es war die Stimmung, die sich geändert hatte. So wie Abu Dun und er die Nähe anderer Unsterblicher spüren konnten, fühlten sie auch die normaler Menschen, wie ein beständiges Murmeln und Raunen im Hintergrund, dem Geräusch einer fernen Meeresbrandung gleich, das man irgendwann einmal gar nicht mehr bewusst wahrnimmt,

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