Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
Seite des Schiffes mindestens ein halbes Dutzend Angreifer schon dieser ersten Salve zum Opfer fielen. Kurz darauf krachte auch schon das Heckgeschütz der Elisa zum zweiten Mal, und diesmal war der Schuss besser gezielt … auch wenn seine Wirkung nicht annähernd so groß war, wie man hätte erwarten können: Die Kugel riss ein faustgroßes Loch in die Bordwand der Dau, fetzte dem Mann dahinter ein Stück Fleisch aus der Wade und zerschmetterte auch die dahinterliegende Wand, um ein gutes Stück weiter eine Furche ins Schilf zu graben, an deren Ende zerrissenes Grün und schlammiges Wasser aufspritzten.
Der zweite Kanonenschuss, ebenfalls auf die kleinen Boote auf dieser Seite gezielt, ging vollkommen fehl und ließ lediglich eine Fontäne aus Wasser und Dreckklumpen am Ufer aufspritzen.
»Das ist doch Wahnsinn!«, murmelte Abu Dun neben ihm. »Was tun die da? Außer sich umbringen zu lassen, meine ich?«
Andrej glaubte nicht, dass es so einfach war. Die Machdiji waren zweifellos Fanatiker, bei denen man prinzipiell mit allem rechnen musste, aber er war mit jedem Augenblick mehr davon überzeugt, dass dieser Angriff weder so chaotisch noch so planlos war, wie es immer noch den Anschein zu haben schien.
Die Janitscharen gaben keine weiteren Salven mehr ab, sondern schössen nun, was ihre Musketen hergaben und so schnell sie sie nachladen konnten. Binnen weniger Augenblicke wurde die Sicht schlechter und das Atmen schwer in der von Schießpulver geschwängerten Luft. Dennoch sah Andrej, dass dem ersten, spektakulären Erfolg der Musketensalve kein zweiterfolgte – ganz im Gegenteil. Sharifs Männer schössen weiter, und sie taten es auch mit genau der Zielsicherheit, die er erwartet hatte, doch die Machdiji hatten aus der ersten Salve gelernt und duckten sich jetzt hinter den niedrigen Bordwänden ihrer Boote oder hielten große Schilde aus Metall oder Holz in die Höhe, manche davon hastig zusammengezimmert und einige sogar nur aus Schilf improvisiert, das sie vermutlich an Ort und Stelle ausgerissen und zusammengeflochten hatten. Dennoch hielt dieser so lächerlich anmutende Schutz den allergrößten Teil der Geschosse ab. Ein Mann stürzte nach hinten und krümmte sich schreiend zwischen den Füßen der anderen. Aus einem zweiten Boot kippte ein Machdiji ins Wasser und tauchte nicht mehr auf, der Rest der Bleigeschosse jedoch blieb in Schilden und geflochtenen Schilfmatten stecken oder riss nur ein paar Splitter aus den Bootsrümpfen. Zugleich schössen die Angreifer zurück. Zwar war es denen, die in den schwankenden Booten knieten, fast unmöglich, selbst ein Ziel von der Größe der Elisa zu treffen, doch auch vom Ufer aus wurde auf sie gefeuert, und auch wenn nur die wenigsten dieser Kugeln das Schiff erreichten, nötigten sie Sharifs Janitscharen doch, sich hastig hinter das Schanzkleid (oder auch einen ihrer Kameraden) zu ducken und hinderten sie auf diese Weise daran, sich so präzise auf die näher kommende Armada aus kleinen Booten einzuschießen, wie ihr Hauptmann es von ihnen verlangte.
Erneut flog etwas so dicht an Andrej vorbei, dass er es nicht nur hören, sondern sogar den Luftzug spüren konnte, und nur einen Augenblick später explodierte ein kleines Staubwölkchen auf Abu Duns Mantel. Der Nubier wankte nicht einmal, duckte sich aber hastig, und Andrej hielt es nun doch für klüger, dasselbe zu tun. »Bist du verletzt?«, fragte er.
Abu Dun blickte ihn auf eine Weise an, als verstünde er die Frage nicht, nähme sie aber trotzdem zum Anlass, vorsorglich beleidigt zu sein. Stirnrunzelnd sah er an sich herab. Einen Moment später grub er mit spitzen Fingern eine fast einen Zoll messende platt gedrückte Bleikugel in Brusthöhe aus. Das Geschoss hatte den schweren Stoff seines Mantels nicht einmal durchschlagen. »Allmählich beginne ich deine Abneigung gegen Schusswaffen zu verstehen, Hexenmeister«, sagte er, warf die Kugel mit angewidertem Gesicht von sich. »Obwohl ich überlege, unseren neuen Wohltäterauch um eines dieser Dinger zu bitten.« Er deutete mit dem Kopf auf Sharif, der auf der anderen Seite des Achterdecks kniete und von irgendwoher eine Muskete bekommen hatte, mit der er auf die Schiffe dort draußen schoss. Kaum hatte er abgedrückt, gab er die leere Waffe an einen Mann neben sich weiter, der ihm sofort eine frisch geladene Muskete reichte und sich unverzüglich daranmachte, die erste Waffe nachzuladen.
»Wieso?«, wollte Andrej wissen. Abu Dun verachtete Schusswaffen
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