Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
und mit wirbelnden Armen stürzte er in das Boot zurück, das daraufhin mit einem dumpfen Wusch zurGänze Feuer fing. Der Zweite jedoch kletterte weiter und weiter, unaufhaltsam, ein zuckender Schatten inmitten der weißen Flammenhölle, schreiend vor Schmerz und kaum noch als etwas Lebendiges zu erkennen. Nur einen Augenblick später erreichte er die Reling, schwang sich herüber und versuchte sich mit weit ausgebreiteten Armen auf einen der Janitscharen zu stürzen, um ihn in Brand zu setzen und mit sich in den Tod zu reißen. Zwei, drei, vier Musketen krachten gleichzeitig, und die lodernde Gestalt wurde von der Wucht der aus unmittelbarer Nähe abgegebenen Schüsse zurück- und wieder über Bord geschleudert. Aus der Tiefe wehte eine dumpfe Explosion zu ihnen herauf, gefolgt von einem Chor gellender Schreie und einem Laut, als bräche etwas sehr Großes langsam in Stücke. Und dann hörten sie, wie schrille Stimmen ein einzelnes Wort intonierten: »Machdi!«
Auch auf der anderen Seite des Schiffes schlugen nun Flammen in die Höhe, und auch von dort erscholl jener schreckliche Ruf, in den mehr und mehr Stimmen einfielen, bis der Lärm der Schlacht in dem immer lauter werdenden Chor fast unterzugehen schien, mit dem die Machdiji den Namen ihres Propheten riefen. Hinter ihm entlud sich das Heckgeschütz der Elisa zum dritten Mal und jetzt mit schier trommelfellzerreißender Lautstärke, doch fast im gleichen Augenblick hörte Andrej einen gellenden Schrei. Als er herumfuhr, sah er, wie der Kanonier in die Knie brach, die Hände vor das Gesicht geschlagen. Dunkelrotes Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Seine Schultern und seine Kopfbedeckung schienen zu schwelen. Wo das hintere Ende der kleinen Karronade gewesen war, erblickte er jetzt nur noch glühendes Metall und Rauch.
Fernandes ließ sich fluchend neben dem schreienden Mann auf die Knie fallen und versuchte seine Hände herunterzudrücken, um nach dessen Verletzungen zu sehen. Nur ein kleines Stück neben dem brennenden Schiff prallte eine zweite Dau gegen die Flanke der Elisa an deren Mast sich bereits drei Männer klammerten. Sharifs Janitscharen schossen einen herunter, die beiden anderen jedoch setzten mit gewagten Sprüngen auf das Deck über und griffen unverzüglich an. Einer von ihnen starb, noch bevor er seine Waffe ziehen konnte, von gleich zwei Speeren und einem Schwert durchbohrt, der andere jedoch schwang seinen Säbel mit solcher Gewalt, dass er einen Janitscharen glattweg enthauptete und noch einen zweiten an der Schulter verletzte, bevor auch er überwältigt und seine Leiche wieder über Bord geworfen wurde. Und schon prallte eine dritte Dau-diesmal auf der anderen Seite – gegen die Elisa, und weitere Machdiji kletterten am Mast empor oder schleuderten Enterhaken, um auf das Schiff zu gelangen.
Dennoch wäre auch dieser Angriff hoffnungslos zum Scheitern verurteilt gewesen, denn der Vorteil der Überraschung war dahin, und die Janitscharen wussten nun, mit was für entschlossenen Gegnern sie es zu tun hatten, und reagierten entsprechend. Etliche von ihnen verschwanden wieder unter Deck und begannen durch die Ruderöffnungen auf die Daus zu schießen, andere nahmen jetzt gezielt jene Boote unter Feuer, die der Elisa nahe gekommen waren, und aus so unmittelbarer Nähe boten nur noch die wenigen metallenen Schilde der Angreifer Schutz vor den schweren Bleikugeln der Musketen, kein dünnes Holz und schon gar nicht die selbst gebastelten Schilde aus Schilf. Andrej gewahrte mehr als nur ein Boot, das nur noch mit Leichen und Sterbenden beladen war. Und noch etwas sah er, das ihm einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ: Überall zwischen den kleinen Booten schien das Wasser zu kochen, nicht nur durch Kugeln oder brennende Trümmerstücke aufgewühlt. Leichen und Verwundete waren über Bord gefallen und trieben reglos auf den Fluten, Männer versuchten mit verzweifelten Schwimmbewegungen, die Boote zu erreichen, aus denen sie gestürzt waren, und zwischen ihnen bewegten sich riesige geschuppte Körper durch die schlammigen Fluten, starrten gierige Reptilienaugen und schnappten grässliche Gebisse. Auch in diesem Punkt hatte er recht behalten, dachte erschaudernd: Zumindest die Krokodile bekamen an diesem Tag ein Festmahl. Geduckt eilte Andrej wieder zur anderen Seite des Schiffes, wo ihn ein Anblick erwartete, der ihm auf so grässliche Weise absurd erschien, dass er im ersten Moment seinen Augen nicht traute: Ungeachtet
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