Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
entgegenwarf.
Stattdessen jedoch fuhr er herum und rannte geradewegs auf den brennenden Bug zu. Als Andrej begriff, was er unter seinem Mantel trug, war es zu spät. Tatsächlich schrie er Fernandes’ Männern noch eine Warnung zu, doch seine Stimme ging ebenso wie jedes andere Geräusch in dem gewaltigen Dröhnen unter, mit dem der mit Schießpulver gefüllte Sack explodierte, den der Machdiji an den Leib gepresst hatte. Die Explosion löste ihn buchstäblich in nichts auf, riss zwei Matrosen in Stücke und schleuderte die anderen schwer verletzt und schreiend zu Boden. Die vereinzelten Flämmchen, die bisher am vorderen Segel der Elisa geleckt hatten, wurden zu einer orange glühenden Lohe, die binnen einer einzigen Sekunde bis weit über die Mastspitze hinaufschoss. Hitze und Druck rissen weitere Männer von den Beinen, und das gesamte Schiff erbebte wie unter dem Hammerschlag eines zornigen Riesen. Wie nahezu jeder an Bord wurde Andrej durch die Erschütterung von den Füßen gerissen, kam mit einer Rolle wieder in die Höhe und beendete die Bewegung, indem er mit einem einzigen Satz auf das schwankende Deck sprang. Sein Blick suchte Abu Dun und fand den Nubier auf der anderen Seite des Schiffes. Auch er war wie alle anderen gestürzt und hatte einen Machdiji und zwei Soldaten des Sultans unter sich begraben. Noch im Aufspringen sorgte er mit einem harten Ellbogenstoß dafür, dass der Angreifer für immer liegen blieb, schenkte den beiden Janitscharen dafür umso weniger Beachtung und schwang seinen Säbel, um sich auf die Angreifer zu stürzen, die plötzlich in Scharen über die Reling stürmten. Andrej sah sich mit wachsender Bestürzung um. Das vordere Viertel des Schiffes brannte, und wenn dort überhaupt noch jemand am Leben war, so würde er sich wünschen, es nicht zu sein. Mehr und mehr der kleinen Daus prallten wie dumpfe Faustschläge gegen die Flanke des größeren Schiffes, und nun wurden auch mitgebrachte Leitern und andere Kletterhilfen angelegt. Sie alle hatten sich verschätzt, was die Anzahl der Angreifer anging. Obgleich so viele dem wütenden Abwehrfeuer der Janitscharen (und den Krokodilen) zum Opfer gefallen waren, stürmten sie weiter in dicht aufeinanderfolgenden Wellen heran.
Da begriff Andrej, dass sie alle, Sharif eingeschlossen, einen fatalen Fehler gemacht hatten.
Kapitel 14
Unter normalen Umständen hätten die Janitscharen leichtes Spiel mit Männern wie ihnen gehabt, einfachen Handwerkern, Bauern und Kaufleuten, die mehr schlecht als recht gelernt hatten, mit Waffen umzugehen. Doch sie schienen keinen Schmerz zu kennen, keine Erschöpfung und schon gar keine Angst. Andrej sah, wie zwei Janitscharen einen einzelnen Angreifer regelrecht in Stücke hackten und er trotzdem noch einen von ihnen mit sich in den Tod riss, indem er sich einfach nach vorne warf und den Mann mit der Spitze des Säbels aufspießte, den ihm sein Kamerad in den Rücken gerammt hatte. Andere hatten Hände oder gar einen Arm verloren und wüteten unbeeindruckt weiter, ohne dass sich auf ihren Gesichtern auch nur Schmerz gezeigt hätte.
Er sprang auf, wehrte einen Angreifer ab, der seine Waffe verloren (oder vielleicht nie eine besessen) hatte und sich mit bloßen Händen auf ihn stürzte, trat einem zweiten Mann die Beine unter dem Leib weg und hackte und schlug sich mit zunehmendem Entsetzen zu Abu Dun durch. Er hätte nicht sagen können, was ihn mehr erschreckte: Die Besessenheit und der Wahnsinn, mit denen die Angreifer heranstürmten, oder die Hemmungslosigkeit, mit der Abu Dun tobte. Die Klinge seines gewaltigen Säbels war längst nicht mehr silbern, sondern rot, und erschlug, hackte und schlachtete sich mit solchem Ungestüm durch die Menge, dass Freund und Feind entsetzt vor ihm zurückwichen … oder doch zumindest Freund. Abu Dun kannte keine Rücksicht und keinen Unterschied mehr und tötete und verstümmelte alles und jeden, der ihm vor das Schwert geriet, und zumindest die Janitscharen versuchten sich vor seinem Wüten in Sicherheit zu bringen.
Die angreifenden Machdiji jedoch schienen auch jetzt keine Furcht zu kennen, so wenig wie den Wunsch, weiter am Leben zu bleiben. Andrej sah, wie Abu Duns monströser Säbel einen Mann glattweg spaltete und auch dem Machdiji neben ihm noch eine tiefe Fleischwunde im Oberschenkel zufügte, an der er verbluten musste, doch die anderen rannten einfach weiter heran und drohten den nubischen Riesen allein durch ihre schiere Masse zu überrollen.
Abermals
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