Die Chronik der Verborgenen 01 - Geliebte Blutrose
ich meine Frühlingsgefühle in den Griff zu bekommen. Ich zwinge meine Gedanken in rationale Bahnen, ich versuche mich an jedes Detail seit meiner Gefangennahme zu erinnern. Jeden seiner Sätze, seine Bewegungen, die Art wie er mit mir umgeht, jedes noch so kleine Detail. Ich muss einen Schwachpunkt finden, der mir hilft hier raus zu kommen. Die unerfreulichen Fakten sind, ich hänge hier an Silberketten, er trägt immer ein Kreuz, wenn er mir nahe kommt, ich habe keine Ahnung, wo genau ich hier eigentlich bin. Ich bin jetzt seit drei Nächten hier, irgendwann wird Maurice mich suchen gehen, und wenn er mich nicht findet, vermuten, dass der Vampirjäger mich geschnappt hat, aber wie soll er mich in einer so großen Stadt finden. Andererseits, die Älteren haben ihre Quellen, nicht umsonst haben wir sofort Ärger, wenn wir uns nicht an die Regeln halten. Die Regeln, ich schlage mir instinktiv gegen die Stirn, als der Gedanke sich wie eine Nadel in mein Gehirn bohrt. Mann bin ich blöd, wieso habe ich bis jetzt nicht daran gedacht? Okay Todesangst ist nicht sehr förderlich für logisches Denken und meine brachliegende Libido wohl auch nicht, aber trotzdem, wie konnte ich nicht daran denken. Die erste Regel, kein Mensch außer unseren Dienern darf von uns wissen, und jeder Vampir, der sich nicht daran hält, kriegt gewaltigen Ärger mit den Alten. Wie verflucht noch mal kann Eric von uns wissen, und zwar soviel dass er unsere Schwächen kennt, und sogar trainiert hat uns zu bekämpfen? Da hat jemand ganz klar Mist gebaut, das kommt schon mal vor, aber wieso hat keiner der Alten etwas dagegen unternommen? Bei all seiner Ausstattung für die Vampirjagt, ich muss mir nur meinen netten Kerker hier ansehen, muss er schon lange von uns wissen. Und doch ist nichts unternommen worden, schlimmer noch, niemand weiß davon. Es geht nicht mehr nur um mein Leben, wenn in so großem Stil etwas falsch läuft sind wir alle in Gefahr, ich muss mehr herausfinden, und zwar dringend. Es wäre mehr als sinnlos hier unter Umständen rauszukommen und dann draußen dem nächsten Jäger in die Arme zu laufen. Und es ist mehr als das, als es nur um mich gegangen ist, hat mein Trotz mir geholfen, aber jetzt geht es um uns alle. Meine menschliche Familie ist bereits tot, ebenso wie die meisten die ich kannte, oder sie werden bald tot sein. Ich habe es nie bewusst so gesehen, aber jetzt wo alles auf dem Spiel steht, erkenne ich die Wahrheit, mein Freund Maurice, der mein Anker ist, und selbst meine Schöpferin Lady Florence, so nervig sie auch ist, sie sind meine Familie, die einzige die ich noch habe, ich kann sie nicht einfach blind in diese Gefahr laufen lassen. Ich muss alles herausfinden, und dann irgendwie hier raus kommen, um sie zu warnen. Das sind klare Prioritäten, aber warum flüstert mir diese dumme kleine Stimme in meinem Hinterkopf dann zu, dass Eric leiden und vermutlich sogar sterben wird, wenn sie sein Geheimnis erfahren, und warum versetzt mir das einen so heftigen Stich ins Herz, wenn er doch nur meine unbefriedigten Hormone anspricht?
Eric
Nach einer sehr kalten Dusche und einem ausgedehnten Spaziergang ist es mir zum Glück gelungen mich zu beruhigen. Ich bin versucht diese Nacht nicht mehr zu ihr zu gehen, aber das wäre eine Kapitulation, und eine solche widerstrebt dem Kämpfer in mir. In Ordnung, ich bin also völlig verrückt nach ihr, kein Wunder bei ihrer engelhaften Schönheit und ihrer Ausstrahlung, und da sie ja eigentlich kein Teenager mehr ist, auch keine Katastrophe, aber ich muss die Kontrolle behalten. Vielleicht wenn sie clean ist und ich das unverschämte Glück haben sollte, dass sie mich dann nicht hasst, aber im Moment muss ich sie wie eine Patientin sehen, und das werde ich ihr auch klar machen. Ich muss es ihr klarmachen, und ich muss Erfolg haben, wie sollte ich sonst meinem Bruder helfen, falls ich ihn jemals finde. Der Gedanke hat fast etwas Tröstliches, denn er ist mein Anker. Aber wieso zum Teufel denke ich dann öfter an sie als an Jacob? Ich schließe gequält die Augen, das Schicksal hat wirklich einen rabenschwarzen Humor, warum muss es mir als Versuchskaninchen gerade die einzige Frau auf der Welt schicken, die nach Amber mein Herz berühren kann.
Ich brauche noch fast eine Stunde ehe ich mich aufraffe wieder in den Keller zu gehen, noch auf dem Weg abwärts wiederhole ich zum hundertsten Mal den Plan in meinem Kopf und die Ansprache, die ich mir zurechtgelegt habe. Als ich den Raum
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