Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
großen Birken vorbei, machte mit seinem Pferd einen Satz über einen Wassergraben und näherte sich der Mühle nun von der Seite des verwilderten Gartens.
Hinter den schiefen Fenstern der Wohnstube flackerte silbernes Irrlichtfeuer. Die Tür hing zertrümmert in den Angeln und soeben wankte einer der Knochenmänner mit einer Irrlichtlaternen ins Freie. Zwei der untoten Seemänner luden Lampen auf einen Handkarren.
»Großmutter!«, brüllte Kai voller Entsetzen.
In diesem Moment wurde der Knochenmann, der soeben aus der Tür getreten war, von einem Schatten niedergerissen, der zwischen den Windmühlenflügel hervorgeschossen kam. Im Licht der Laterne konnte Kai den wehenden Umhang Dystariels erkennen. Verdammt, wie war sie so schnell zur Mühle gelangt ?
Mit einem Ruck drehte die Unheimliche der knöchernen Gestalt den Schädel auf den Rücken und war bereits im Haus, noch bevor das Skelett in sich zusammenfiel. Die beiden anderen Knochenmänner ließen ihre Beute fallen und zückten die Waffen. Jetzt war auch Fi zur Stelle. In vollem Galopp ritt der Elf geradewegs auf die untoten Seeleute zu, ließ sein Pferd aufbäumen und trampelte eine der Grabgestalten nieder. Auch Kai erreichte jetzt die Mühle. Sein Pferd scheute angesichts all des übernatürlichen Schreckens um sie herum und er hatte Mühe abzusteigen. Fi saß noch immer hoch zu Ross und kämpfte bereits mit dem zweiten Gegner. Doch dieses Skelett machte es dem Elfen nicht so leicht. Der wandelnde Leichnam zerrte ihn vom Pferd und kurz darauf war Fi in ein erbittertes Gefecht verwickelt.
Kai kam kaum dazu, nachzudenken. Während sein Pferd mit ängstlichem Wiehern zurück in die Dunkelheit galoppierte, flog einer der Fensterläden aus den Angeln. Eine weitere Spukgestalt segelte in hohem Bogen in den Garten und blieb mit zerschmetterten Gliedern neben einer Hecke liegen. Kai schrie auf und stürzte dann zur Fensteröffnung, um einen bangen Blick in den Wohnraum zu werfen, in dem er noch am Morgen zusammen mit Rufus und seiner Großmutter gefrühstückt hatte. Dystariel hatte ganze Arbeit geleistet. Der Fußboden war übersät mit zerbrochenem Geschirr, abgerissenen Kräuterbündeln und den zerschlagenen Gebeinen ihrer Gegner. Die Unheimliche selbst stand mit wehendem Umhang direkt neben dem Mühlstein und ließ soeben die bleichen Schädel zweier weiterer Skelette aufeinander krachen. Doch wo war seine Großmutter?
Aus der Tür zur Irrlichtkammer trat in diesem Moment unheilvoll und Ehrfurcht gebietend jene Gestalt, die Kai schon auf dem Festplatz gesehen hatte: Mort Eisenhand! Aus der Nähe war der Anblick des Piraten noch fürchterlicher. Im Gegensatz zu den untoten Seeleuten, die ihm unterstanden, besaß er harte, stechende, fast lebendig wirkende Augen, in denen ein düsteres Feuer glomm. Davon abgesehen war sein Gesicht bleich und aufgedunsen. Auch das strähnige Haar, das wie fauliger Seetang unter seinem Kopftuch hervorlugte, wirkte, als habe der Piratenkapitän lange Zeit unter Wasser gelegen.
»So sehen wir uns also wieder, Verräterin!«, grollte Eisenhand und zog seinen Säbel. Die Schneide blitzte im Irrlichtfeuer und wies die Einkerbungen ungezählter Schlachten auf. »Komm, mein Täubchen, komm zum alten Mort!«
Eisenhand lachte und Kai beobachtete angewidert, wie ein kleiner Krebs aus der Mundhöhle des Piraten krabbelte, nur um dann wieder unter der zerschlissenen Kapitänsuniform zu verschwinden. Im nächsten Moment sprang der Finstere nach vorn und schlug zu.
Kais unheimliche Verbündete machte sich nicht einmal die Mühe, der Waffe auszuweichen. Die Klinge drang durch ihre Kutte und es klang, als ob Stahl über Stein schrammte. Im selben Moment schlug Dystariel ihrerseits zu und entblößte dabei eine schwarze Klaue, die in langen gebogenen Krallen endete. Kai riss entsetzt die Augen auf. Doch der Pirat war schnell. Er parierte den Schlag mit seinem Panzerarm und ein hässliches Quietschen brachte Kais Ohren zum Klingen. Brüllend ging Eisenhand erneut zum Angriff über. Mit weit ausholenden Schlägen hämmerte er Dystariel abwechselnd Klinge und Faust in den Körper und trieb sie ungestüm auf den Ausgang der Mühle zu. Geschickt tauchte er unter ihren Schlägen hinweg und machte dann einen überraschenden Satz zur Seite. Eisenhand wuchtete den Esstisch empor und schleuderte ihn mit aller Kraft in Dystariels Richtung. Diese flog fauchend gegen den Türrahmen und stürzte dann auf den Kiesweg vor der Mühle. Mit Gebrüll stürmte
Weitere Kostenlose Bücher