Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
aufzunehmen. Doch der Pirat blieb verschwunden. Fi war es auch gewesen, der nun erstmals die weitere Zukunft von Kai zur Sprache brachte. Der Elf unterbreitete ihm den Vorschlag, ihn mit nach Hammaburg zu nehmen, um ihn zu Magister Eulertin zu bringen. Fi schien dies für überaus wichtig zu halten. Kai hatte seinem und Rufus' Drängen schließlich nachgegeben. Was sollte er auch in Lychtermoor, wo ihn alles an den Tod seiner Großmutter erinnerte und er keine weiteren Verwandten hatte ?
Schließlich war es Zeit, Abschied zu nehmen. Er und Rufus lagen sich in den Armen und diesmal hatte auch der alte Fischer seine Tränen nicht zurückhalten können. Wer wusste schon, wann sie sich wieder sehen würden?
All das lag nun schon einige Stunden zurück. Kai und Fi folgten dem Flusslauf in nördliche Richtung - mit dem Strom und der Stadt Hammaburg entgegen. Um sie herum plätscherte das Flusswasser beruhigend gegen die Bootswand. Wenn Kai aufblickte, sah er an den sonnenbeschienenen Ufern des breiten Stroms grüne Bäume und sanft geschwungene Hügel vorüberziehen. Noch nie hatte er sich so weit von zu Hause entfernt. Hin und wieder fiel sein Blick auf Mägde, die am Ufer Wäsche wuschen und ihnen fröhlich zuwinkten. Einmal kam ihnen sogar ein kleiner Flusssegler entgegen, auf dem drei bärtige Schiffer standen, die sie freundlich grüßten. Nichts erinnerte mehr an den Schrecken, dem Kai erst vor kurzem entronnen war. Sogar das merkwürdige taube Gefühl, das er seit der Todesnacht seiner Großmutter empfunden hatte, verging mit jeder Meile, die sie zwischen sich und Lychtermoor brachten. War es tatsächlich erst zwei Tage her, dass er alles verloren hatte, was ihm lieb und teuer gewesen war ?
In Kais Händen lag der Lederbeutel mit den getrockneten Mistelbeeren und dem restlichen Bernsteinstaub, den seine Großmutter stets bei sich getragen hatte. Es war alles, was ihm von ihr geblieben war. Kai schlug traurig die Augen nieder und knotete das Behältnis an seinen Gürtel. Er war jetzt ein Irrlichtjäger. Auf diese Weise konnte er seine Großmutter am besten in Ehren halten.
Zögernd drehte sich Kai zu Fi um, der seit Fahrtbeginn barfüßig im Heck des Fischerbootes stand und ihr Gefährt mit der langen Ruderpinne routiniert durch die Fluten steuerte. Heute war der Elf mit einer derben Leinenhose bekleidet, über der er nach Flussschifferart ein Hemd und eine graue Wollweste trug. Seine spitzen Ohrmuscheln hielt er unter einem Kopftuch verborgen, das Kai schmerzhaft an den Anblick Mort Eisenhands erinnerte. Kein Zweifel, Fi befuhr den Fluss nicht zum ersten Mal. Woher Fi wohl stammte? Vor langer Zeit, so hieß es, als die Menschen noch keine Städte bauten, konnte man Elfen überall auf der Welt antreffen. Doch heutzutage lebte das Alte Volk versteckt und zurückgezogen. Angeblich befand sich in den Zauberwäldern im Westen ein großes Elfenreich. Und auch auf Albion, der großen Insel jenseits des Nordmeeres, konnte man auf Elfen stoßen. Zumindest, wenn man den Geschichten glaubte, die man sich über die Insel erzählte. Doch seit die finstere Nebelkönigin Morgoya das Reich mit ihren Zauberkräften unterjocht hatte, drangen nicht mehr viele Nachrichten zum Festland herüber.
»Wie lange wird es dauern, bis wir in Hammaburg sind?«, krächzte Kai. Der Elf lächelte ihm aufmunternd zu. »Wenn Frau Elbe uns weiterhin gewogen bleibt und uns keine launischen Windgeister begegnen, werden wir Hammaburg morgen Abend erreicht haben.«
Kai nickte und schwieg eine Weile. »Sag, wo ist eigentlich Dystariel? Ist sie zurückgeblieben? Ich habe sie seit... seit dieser Nacht nicht mehr gesehen.« Das Gesicht des Elfen verfinsterte sich. »Sie war immer bei uns, Irrlichtjäger. Sie ist es noch ... Immerhin war es Dystariel, die darauf bestanden hat, dass du mit nach Hammaburg kommst.« »Was?«, fuhr Kai verblüfft hoch. »Ich dachte, du wolltest, dass ich mitkomme?« Fi verzog spöttisch den Mund und korrigierte den Kurs des Fischerbootes, um einem treibenden Baumstamm auszuweichen. »Das eine muss das andere ja nicht ausschließen. Ich zog es lediglich vor, dich mit Argumenten zu überzeugen. Dystariel ist da nicht so zimperlich. Sie hätte dich im Falle einer Weigerung ganz bestimmt gewaltsam nach Hammaburg geschafft.« Fi musterte Kai mit seinen schrägen Katzenaugen, doch er ließ sich seine Gefühle nicht anmerken. »Ich vermute, ihr haben deine seltsamen Kräfte imponiert. Würde mich jedenfalls nicht wundern.« »Wer
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