Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
Kreidefelsen ausmachen, hinter denen sich weit bis zum trüben Horizont das Nordmeer erstreckte. Die schroffe Felsformation wirkte auf ihn, als ragten dort an der Küste die gewaltigen Zähne eines Seemonsters auf.
Längst war am Himmel eine Vielzahl weiterer Möwen auszumachen. Dazwischen zogen große Albatrosse und Seeadler ihre Bahn. Inzwischen konnte man auch das Rauschen der Brandung hören und die Luft roch nach Tang.
Kriwa hielt direkt auf eine große Felsnase inmitten der majestätischen Gesteinsformation zu. Diese lag vor einem zerklüfteten, mannshohen Höhleneingang. Kai starrte während des Landeanflugs unglücklich zu der weißen Meeresbrandung hinab, die in der Tiefe gegen die Felsen donnerte. Leichtfüßig setzte die Möwe auf dem felsigen Sims auf und faltete die Flügel zusammen. Noch immer zerrte ein starker Wind an den Kleidern der Reisenden.
»Runter, mein Junge!«, rief Eulertin. »Wir sind da.«
Kai seufzte und schaffte es, dank des Spinnentranks ohne Probleme von dem Vogel zu steigen. Der Magister hingegen ließ sich einfach von einer Böe tragen und landete elegant neben ihm auf dem Felsen,.
»Bitte warte hier«, rief er der Möwe zu.
Kriwa nickte anmutig und putzte sich die klebrigen Fäden, die Kai hinterlassen hatte, aus dem Gefieder. Der Däumlingszauberer schritt nun auf den aus ihrem Blickwinkel gewaltigen Höhleneingang zu. Kai folgte ihm hastig.
Wenig später betraten sie eine gewaltige Grotte, in der ein beständiges Heulen und Säuseln zu hören war. Kais Ärmel flatterten im Wind und immer wieder tanzten schwarze Haarsträhnen vor seinem Gesicht.
»Ich schätze, es schadet nicht, wenn du die Wirkung des Verkleinerungstranks aufhebst«, rief der Magister gegen die Böen an. »Gleich wird es noch schlimmer kommen.«
Kai nickte verwirrt und konzentrierte sich. Es dauerte nicht lange und er spürte wieder das schmerzhafte Ziehen und Reißen in seinen Gliedern. Jede Faser seines Körpers schien sich zu strecken und zu dehnen. Er wurde wieder groß. Als der Prozess abgeschlossen war, atmete er erleichtert aus.
Die Grotte war noch immer gewaltig. Von schlanken Gesteinssäulen und breiten Felsnasen getrennt, zweigten zahlreiche kleinere Höhlen ab. Auch die Decke war von tiefen Rissen und Schloten durchzogen, durch die der Wind rauschte. Überall brauste, dröhnte und säuselte es. Der Däumlingszauberer ließ sich von Kai auf einen Felsblock heben, der sich wie ein steinerner Thron inmitten der großen Höhle erhob. Dann gebot er seinem Schüler zurückzutreten und sich ruhig zu verhalten.
Magister Eulertin breitete die Arme aus und warf den Kopf in den Nacken. Da begann der blaue Kristall auf seinem winzigen Zauberstab zu leuchten. Zunächst war es nur ein trübes Licht, doch nach und nach steigerte es sich zu einem hellen Gleißen, das grell in Kais Augen stach.
Unvermittelt hallte die seltsam verstärkte Stimme des Zauberers von den Wänden. »Ich, Magister Thadäus Eulertin, Schüler des ehrwürdigen Balisarius Falkwart, Zunftmeister der Windmacher von Hammaburg, Bezwinger des Nachtmahren vom Purpursee, Hüter des Mysteriums vom Nornenberg und Träger des Splitters von Thraaks Sturmkrone, ich rufe Euch, ihr Winde! Kommt herbei, Launenhafte. Kommt her zu mir, wie es Euch der Pakt von Kaskardoom gebietet!«
Kai starrte Eulertin verblüfft an. Was konnte das bedeuten ? Unmöglich war der kleine Magister der einfache Magier, für den er sich so gern ausgab.
Ein mächtiges Donnern irgendwo tief im Gewirr des verzweigten Grottensystems war zu hören, dem ein auf- und abschwellendes Brausen folgte. Eine Sturmböe packte Kai und warf ihn gegen eine der Felswände. Der Junge rieb sich schmerzhaft die Schulter - und riss entgeistert die Augen auf.
Unter Wispern und Säuseln materialisierten sich plötzlich überall um sie herum ätherische Gestalten mit pausbackigen Gesichtern, wehenden Gewändern und langen Haaren: Windgeister !
Kai dachte an seinen Unterricht zurück. Er erkannte aufbrausende Sylphen, wütende Windsbräute, verspielte Luftikusse, trügerische Säuselgeister und viele andere mehr. Das Tosen um sie herum war gewaltig. Selbst Magister Eulertin wankte leicht und schien sich nur mit Mühe auf dem Fels halten zu können.
In diesem Moment donnerten unter wütendem Sturmgeheul die gewaltigen Schemen sechs weiterer, weitaus machtvollerer Wesen in die Grotte. Die vielen anderen Geister, die in die Höhle gefahren waren, stoben jaulend davon. Kai hingegen wurde jetzt so
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