Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
dir. Stell dir vor, wie ...«
»Wo ist Fi?«, unterbrach ihn Kai und zog sich schwankend an dem Mast der Galeere empor.
»Noch da unten«, antwortete der Seekobold zerknirscht und richtete sich ebenfalls auf. »Mach dir keine Sorgen, unser Elfchen weiß auf sich aufzupassen.«
Kai starrte Koggs fassungslos an. Woher nahm der alte Schmuggler verdammt noch einmal diese Sicherheit ? Panisch stürzte er zurück zu der Luke, aus der es noch immer rauchte.
»Fi!«, brüllte er verzweifelt. »Verdammt, Koggs, wir brauchen Wasser. Wir müssen das Feuer da unten löschen. Hast du nicht noch ein Fläschchen mit einem Wasserelemen...« In diesem Augenblick knarrte es auf der Leiter. Einen bangen Augenblick später schälte sich eine schlanke Gestalt aus dem Dunst.
Fi trug einen schlaffen Körper, den sie sich über die Schulter geworfen hatte, nach oben. Einer der Seeleute?
Hastig nahm Kai ihr die Last ab und legte den Unbekannten aufs Deck. Fi keuchte, riss sich ein Tuch vom Gesicht und füllte ihre Lungen mit frischer Luft. Erschöpft sah sie erst ihn, dann den Fremden an.
»Sein Körper ist eiskalt, aber er lebt. Ich habe ihn im Lagerraum gefunden. Offenbar hatte er sich dort versteckt.«
Zu Kais Überraschung lächelte Fi und aus ihren Katzenaugen rann stockend eine Träne. »Ich weiß nicht, warum er hier ist und wie er das geschafft hat. Aber dieser dreimal gesegnete Wipfeljäger ist Morgoya tatsächlich entkommen. Entkommen, versteht ihr ?« Kai und Koggs sahen sich verständnislos an. Der Zauberlehrling schlug die Pelzkapuze des Bewusstlosen zurück und sah, dass es sich bei dem Fremden um einen jungen Mann handelte, dessen edle Gesichtszüge von gelocktem, weißblondem Haar umrahmt wurden. Wenn Fi Recht hatte und er nicht tot war, dann musste er sehr tief schlafen. Seine Augen waren geschlossen und die Haut war so blass wie die Flügel eines Schneefalters. Und doch, trotz seines Zustandes hatte der Unbekannte etwas Vornehmes, fast Überirdisches an sich. Endlich erkannte Kai warum. Der Bewusstlose besaß spitz zulaufende Ohrmuscheln. Er war ein Elf.
»Darf ich fragen, wer das ist?« Kai fühlte, dass ihm die Antwort nicht behagen würde. »Das ist Gilraen«, sagte Fi und streichelte besorgt über die Wange des Elfen. »Er stammt wie ich aus Albion und wir kennen uns seit frühester Kindheit. Wir müssen ihm helfen, Kai. Gilraen und ich, wir sind einander lichtverschworen.«
Wettermagier
»Gleich sind wir da«, flüsterte Ratsherr Hansen angespannt. Er deutete auf einen runden Turm am Ende der menschenleeren Gasse, der die Dächer rundum überragte. Im Gegensatz zu den Häusern, die krumm und schief die Straße säumten, war der rote Backsteinbau gänzlich vom Schnee befreit. Er mündete in einem spitz zulaufenden Schieferdach, aus dessen Schindeln trompetenförmige Röhren und bizarre Luftschrauben ragten.
Der Zauberlehrling war froh, dass sie ihr Ziel endlich erreicht hatten. Das ganze Viertel stank nach Erbsensuppe und kaltem Rauch und erinnerte ihn daran, dass er schon seit Stunden nichts mehr gegessen hatte. Außerdem war ihm kalt, obwohl von dem Beutel mit dem Feenkristall, der mittlerweile um seinen Hals hing, noch immer eine angenehme Wärme ausging.
Kai atmete tief ein, schulterte seinen Rucksack, der mit jedem Schritt schwerer wurde, und bemühte sich, gemeinsam mit Koggs und Fi möglichst geräuschlos zu Stadtkämmerer Hansen aufzuschließen. Leider war das kaum möglich, denn der Schlitten, den sie hinter sich herzogen, verursachte auf dem vereisten Straßenpflaster beständig kratzende Laute. Auf ihm lag in dicke Decken gewickelt der bewusstlose Gilraen.
Hansen legte einen Finger auf die Lippen, sah sich verstohlen um und pochte mit dem Türklopfer dreimal vorsichtig gegen die eichene Pforte. Kurz darauf ließ sich hinter einem der oberen Turmfenster eine Gestalt blicken, die eine Laterne in der Hand hielt. Dann war das gedämpfte Knarzen einer Holztreppe zu hören.
Kai wandte sich zu Fi um, die sich besorgt über den Schlitten beugte und in melodischem Elfisch auf ihren bewusstlosen Freund einredete. Gilraen stöhnte leise, erwachte aber nicht.
Kai konnte verstehen, dass sie sich große Sorgen um ihn machte. Gilraen schien mehr tot als lebendig und brauchte dringend die Hilfe eines Heilkundigen. Gern hätte Kai ihm geholfen, doch er wusste nicht wie. Außerdem hatte ihm Fi deutlich gemacht, dass sie lieber allein mit ihm sein wollte. Sie hatte es zwar nicht direkt gesagt, aber er fühlte
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