Die Chroniken des Paladins 03. Das Buch Karand - Bellem, S: Chroniken des Paladins 3 Buch Karand
trieb ihm die Klinge in die eigene Brust, mitten durchs Herz.
Sie verharrten einen schier endlosen Moment in ihrer tödlichen Umarmung. Verrens Lippen schien ein zufriedenes Lächeln zu umspielen. Auch Alynéa wirkte friedlich.
Dann sackten sie zusammen.
Mit dem Tod der Magierin brach der Bann über Pharg’inyon. Abfällig blickte er auf die beiden Leichen. »Wie rührend«, höhnte er.
»Der Paladin und seine Freunde sind entkommen«, ertönte Skadrims Stimme hinter ihm.
Pharg’inyon zuckte gleichgültig die Achseln. Er hatte bei den ineinander verschlungenen Leichen längst entdeckt, was er suchte. »Sie sind unwichtig.«
Er bückte sich, und seine Finger schlossen sich langsam, beinah liebevoll, um das Buch Karand .
»Wer sollte mich jetzt noch aufhalten?«
Das Buch Karand
Feine Linien aus Purpur überzogen den glatten, schwarzen Stein. Schwach pulsierten sie im dämmrigen Licht der Fackel, wie Adern, die sich unter dünner Haut über alte Hände spannten. Fast wagte er nicht, die feinen Kraftlinien zu berühren, die sich um eine Vertiefung herum sammelten. Ein Schlüsselloch, das auf den passenden Schlüssel wartete – nein, sich danach sehnte.
Pharg’inyon nahm das Amulett, das er Totenfels entrissen hatte, und brach den Obsidian aus der Goldfassung heraus.
Ein Lächeln huschte über seine Lippen, ein lautes Auflachen musste er unterdrücken. All die Jahre hattet ihr den Schlüssel vor eurer Nase, ihr Narren!
Behutsam ließ er den Edelstein in die Vertiefung gleiten. Obwohl es keine sichtbaren Halterungen gab, schien der Stein sich geradezu festzusaugen. Lückenlos nahm er seinen Platz ein. Das Buch sandte einen kräftigen Pulsschlag aus, der in Pharg’inyons menschlichen Eingeweiden bebte, dann glommen die purpurnen Adern auf, zogen sich weiter um das Buch, bis der Stein wie ein pulsierendes Herz inmitten eines steinernen Körpers wirkte.
»Jaaa!«, rief Pharg’inyon. »Endlich! Die Macht der Seelen! Sie ist mein!«
Skadrim wich erschrocken einen Schritt zurück. Die Launen seines frisch gekrönten Königs waren ihm höchst zuwider. Doch diesmal war es schlimmer. Pharg’inyon wirkte ausgelassen, regelrecht euphorisch.
»Schau her, Skadrim!«, forderte er ihn auf. »Und sag mir, was du siehst.«
Skadrim richtete den Blick auf Pharg’inyon und sank vor Freude auf die Knie.
Der Herold, sein König – er war viel mehr als das. Er erstrahlte in gleißendem Licht, das eine himmlische Melodie zu spielen schien. Geborgenheit und Wärme strömten aus der Mitte des göttlichen Königs, umfingen ihn wie die warme Umarmung einer Mutter. Tränen purer Freude rannen über Skadrims Wangen, gefolgt von Tränen der Schande, denn er wusste, dass er unwürdig war, neben diesem makellosen Wesen zu stehen. Seine bloße Anwesenheit drohte die Reinheit des Göttlichen zu zerstören. Skadrim wollte schreien vor Glück und Angst. Glück, dieses vollkommene Wesen gefunden zu haben, Angst, es wieder zu verlieren.
Ich bin dieses Anblicks nicht würdig! , brannte sich ein Gedanke in Skadrims Hirn. Meine Augen sollen niemals wieder etwas von geringerer Schönheit erblicken!
Er schlug die Hände vors Gesicht und grub die Fingernägel in die Augen. Die Schmerzen fühlten sich wie liebevolle Küsse an, zeigten ihm, dass er das richtige tat. Als die Fingerkuppen sich hinter die Augäpfel vorarbeiteten und von Tränen verdünntes Blut über seine Wangen lief, war Skadrim von tiefer Freude erfüllt.
Begleitet von einem Freudenschrei riss er sich die Augen aus dem Schädel und hielt sie triumphierend empor. Wie sonst sollte er dem Göttlichen seine Liebe beweisen? Der Anblick des Göttlichen sollte das Letzte sein, was Skadrim je sah.
»Ich muss noch das rechte Maß lernen«, ertönte Pharg’inyons Stimme. Schritte verhallten allmählich. Skadrim blieb allein zurück, wand sich immer noch vor Verzückung.
»Bürger und Soldaten von Totenfels!«, verkündete Pharg’inyon noch in derselben Nacht von einem Balkon der Burg. »Heute ist die Geburtsstunde des einzig wahren Gottes Aurelion und seiner Herrschaft über Kanduras. Ihr seid die Ersten einer bald unzählbaren Schar. Seid gewiss, dass Aurelion euch liebt!« Er machte eine dramatische Pause und schien jeden Einzelnen in der Menge zu betrachten. Er konnte das schwache Pulsieren des Buchs Karand fühlen und wusste, dass die Macht des Seelenfängers am Werk war. »Doch es gibt auch Ungläubige! Nicht unter uns!«, fügte er rasch hinzu, als die Menge unruhig wurde.
Weitere Kostenlose Bücher