Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
die Gefühle, die diese Beobachtung bei ihm hervorrief, miteinander im Widerstreit. Niemals würde er Jaryd und Alayna ihr Glück missgönnen. Tatsächlich glaubte er, dass ihre Verbindung angesichts der Zukunft, die er für Jaryd vorhergesehen hatte und die durch Alaynas erste Bindung angedeutet wurde, dem Orden eines Tages vielleicht die stabilste, machtvollste Führung geben könnte, die er seit Phelan gekannt hatte.
Aber sie so zusammen zu sehen, zwang Baden auch, sich den schmerzlichen und, wie er zugeben musste, fragwürdigen Entscheidungen zu stellen, die er in seinem eigenen Leben getroffen hatte. Er war, was seine Beziehung zu Sonel anging, Jaryd gegenüber nicht vollkommen aufrichtig gewesen. Ja, es hatte ein schlechtes Ende genommen, zum Teil wegen der Schwierigkeiten, die generell bei einer Beziehung zwischen zwei Magiern entstanden. Aber Sonel war bereit gewesen, sich ihm zu verpflichten. Es hatte einen freien Platz für einen Magier im südlichen Teil von Tobyns Wald gegeben, wo Sonel bereits diente. Baden hatte diesen Schritt allerdings nicht vollziehen wollen. Er war ein Wanderer, hatte er ihr und allen anderen gesagt, kein Nister; sich irgendwo niederzulassen, hätte seinem Wesen widerstrebt. Er hatte ein paar Jahre später erkannt, dass er einen großen Fehler gemacht hatte, aber inzwischen war Sonel verheiratet gewesen. Nach einiger Zeit hatten sie sich wieder miteinander angefreundet, aber der Schatten dessen, was zwischen ihnen gewesen war, hing weiterhin über ihrer Freundschaft, selbst nachdem Sonels Mann gestorben war.
Es war falsch gewesen, seine Erfahrung mit Sonel als ein Beispiel darzustellen, das Jaryd in Bezug auf Alayna beachten sollte. Denn obwohl er viele von Sonels guten Eigenschaften in der hübschen jungen Frau wiedererkannte, waren er und Jaryd doch sehr unterschiedlich. Bei diesem Gedanken schaute Baden wieder zu seinem Neffen hin und bemerkte noch einmal, wie sehr der junge Mann sich verändert hatte, seit er sein Heimatdorf verlassen hatte. Er lächelte immer noch viel und war immer noch so warmherzig und leidenschaftlich, wie Baden ihn kennen gelernt hatte. Aber der Eulenmeister bemerkte nun auch, dass Jaryd die Menschen, mit denen er zu tun hatte, viel ausführlicher beobachtete und dass er nun über eine Empfindsamkeit verfügte, die ihm zuvor gefehlt hatte. Als er seinen Neffen betrachtete, erinnerte sich Baden an den Nachmittag, als Jaryd im Flur vor Jessamyns Gemächern in der Großen Halle Orris zum ersten Mal begegnet war. Der Junge hatte sofort eine Abneigung gegen den Falkenmagier empfunden, ein Gefühl, das im Lauf der Versammlung dank Orris' mürrischer Art noch verstärkt worden war. Also hatte Baden am vergangenen Abend interessiert zugesehen, als Jaryd auf Orris zugegangen war und ihm dafür gedankt hatte, dass er sein und Alaynas Leben gerettet hatte, und der Eulenmeister hatte erfreut festgestellt, mit welcher Warmherzigkeit und welchem Mitgefühl Jaryd seinem Kummer über den Verlust von Orris' Falken Ausdruck verlieh. Baden hatte auch bei Orris eine Veränderung wahrgenommen. Vielleicht war es Jaryd ebenso ergangen. So unwahrscheinlich es ihm vor ein paar Wochen noch vorgekommen wäre, nun hielt Baden es durchaus für wahrscheinlich, dass sich zwischen den beiden Magiern eine sehr bedeutsame Freundschaft entwickeln würde. Während er immer noch Jaryd und Alayna ansah und den heiteren Gesprächen zwischen Orris und Trahn zuhörte, die ein Stück hinter ihm ritten, fragte sich der Eulenmeister, ob es vielleicht möglich wäre, dass alles, was geschehen war, seit sie sich auf den Weg zu Therons Hain gemacht hatten - die Morde an Jessamyn und Peredur, Sartols Verrat, Pordaths Tod, der Angriff auf Wasserbogen -, sie allesamt stärker gemacht und fester aneinander gebunden hatte. War es möglich, dass die Lethargie, die den Orden all die Jahre wie eine erstickende Decke überzogen hatte, sich dadurch hob, oder war das zu viel verlangt? Für den Rest des Tages drehte und wendete er die Frage im Geist immer wieder hin und her. Er war zu klug, um zu glauben, dass diese Veränderungen allein genügen würden, um Sartol und die anderen Feinde des Ordens zu besiegen, aber das Rätsel selbst bot ihm Zuflucht vor den finsteren Gedanken, die ihn während des ganzen Tages immer wieder heimsuchten. Es war eine Ablenkung, die er sehr willkommen hieß.
In der Abenddämmerung schlugen sie ihr Lager auf einer kleinen Anhöhe inmitten der Prärie auf. Umgeben vom hohen,
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