Die Chroniken von Araluen - Die brennende Brücke: Band 2 (German Edition)
Wir Waldläufer legen keinen großen Wert auf Formalien. Reite doch mit uns.«
Auf einen Schenkeldruck hin wich sein Pferd zur Seite aus. Horace lenkte sein Pferd bereitwillig nach vorne, um neben den beiden Waldläufern zu reiten.
»Vielen Dank, Sir«, sagte er. Gilan hob eine Augenbraue und sah Will an.
»Sehr höflich, dein Freund, nicht wahr?«, meinte er nachdenklich. »Anscheinend wird heutzutage in der Lehrzeit auch auf gutes Benehmen Wert gelegt. Es gefällt mir, Sir genannt zu werden.«
Will grinste bei dieser Bemerkung, die Horace wohl die Scheu nehmen sollte. Als Gilan fortfuhr, wich das Lächeln jedoch von seinem Gesicht.
»Gar nicht schlecht, etwas mehr Respekt erwiesen zu bekommen. Vielleicht solltest du mich auch mit Sir anreden«, sagte er zu Will und drehte schnell
das Gesicht zur Seite, damit Will nicht das Lächeln sehen konnte, das sich einfach nicht unterdrücken ließ.
Will verschlug es fast die Sprache. Er traute seinen Ohren nicht.
»Sir?«, sagte er schließlich. »Ich soll tatsächlich Sir Gilan sagen?«
Gilan schüttelte den Kopf. »Nein. Das einfache Sir reicht völlig aus, meinst du nicht?«
Will fiel darauf keine Antwort ein und so machte er lediglich eine hilflose Geste mit den Händen.
»Wir wollen doch nicht vergessen, wer der Anführer dieser kleinen Abordnung ist, oder?«, fuhr Gilan fort.
Schließlich hatte Will seine Stimme wiedergefunden. »Nein, natürlich nicht, Gil … ich meine, Sir.« Ein paar Minuten ritt er schweigend weiter, dann hörte er ein lautes Schnauben neben sich, als es Horace nicht länger gelang, sein Lachen zu unterdrücken. Will starrte ihn verblüfft an, dann drehte er sich misstrauisch zu Gilan.
Der junge Waldläufer grinste übers ganze Gesicht, während er den Blick des Lehrlings erwiderte. In gespielter Betroffenheit schüttelte er den Kopf.
»Ein Scherz, Will, war nur ein Scherz.«
Will begriff nun, dass er wieder hereingelegt worden war, und diesmal hatte sogar Horace es sofort gemerkt.
»Wusste ich doch gleich«, erwiderte er schnell.
Horace lachte laut auf. Gilan stimmte ein und dann lachte endlich auch Will.
Sie ritten den ganzen Tag nach Süden und schlugen schließlich am Fuße der ersten Berge ihr Lager auf. Gegen Nachmittag hatte der Regen nachgelassen, der Boden war allerdings immer noch völlig durchweicht.
Sie suchten unter den Bäumen nach trockenem, abgestorbenem Holz und hatten schließlich genug gesammelt, um Feuer machen zu können. Gilan teilte die Arbeit unter ihnen dreien gerecht auf und sie aßen ihr Mahl in einer freundschaftlichen Atmosphäre.
Horace war jedoch immer noch ein wenig scheu und zurückhaltend in Anwesenheit des Waldläufers. Will begriff, dass Gilan ihn eigentlich nur deshalb auf den Arm nahm oder Scherze machte, damit Horace sich nicht ausgeschlossen fühlte. Dafür mochte Will Gilan noch lieber als vorher. Ihm selbst wurde klar, dass er noch viel über den richtigen Umgang mit Menschen lernen musste.
Er hatte noch mindestens vier Jahre Ausbildung vor sich, bis seine Lehre abgeschlossen war. Dann würde man wohl auch von ihm erwarten, Geheimaufträge auszuführen, Informationen über die Feinde des Königreichs einzuholen und vielleicht sogar Einheiten der Armee zu führen, genau wie Walt es
tat. Der Gedanke, dass er eines Tages nur auf den eigenen Verstand und eigene Fähigkeiten angewiesen sein würde, machte ihm fast ein wenig Angst. In Gesellschaft von erfahrenen Waldläufern wie Walt oder Gilan fühlte Will sich sicher. Deren Wissen und Fähigkeiten verliehen ihnen die beruhigende Aura von Unbesiegbarkeit. Ob er selbst wohl jemals in der Lage wäre, seinen Platz unter ihnen einzunehmen? Im Augenblick bezweifelte er das eher.
Er seufzte. Manchmal schien es, als wollte einen das Leben nur ständig auf die Probe stellen. Vor weniger als einem Jahr war er ein namenloser Waisenjunge gewesen. Doch nun ging er bei einem Waldläufer in die Lehre. Und seit er Baron Arald, Sir Rodney und Walt dabei geholfen hatte, die furchtbaren Kruls zu besiegen, zollten ihm die Bewohner von Redmont Respekt.
Er blickte hinüber zu Horace, dem Jungen, mit dem er in seiner Kindheit so oft gestritten hatte und der inzwischen sein Freund geworden war. Ob er wohl ähnlich verwirrende Erfahrungen gemacht hatte? Wenn Will an ihre gemeinsamen Tage im Waisenhaus dachte, erinnerte er sich auch an seine anderen Freunde: George, Jenny und Alyss, die jetzt alle verschiedene Lehrstellen hatten. Er wünschte, er hätte die Zeit
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