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Die Chroniken von Blarnia

Die Chroniken von Blarnia

Titel: Die Chroniken von Blarnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gerber
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ein Ölgemälde von ein paar Faunen beim Pokerspiel.
    »Nicht besonders originell, ich weiß«, sagte Herr Dummnuss. »Aber mein Vater ist darauf zu sehen: Er ist der Dritte von links.«
    »Wie nett«, sagte Loo höflich. Dann fiel ihr Blick auf eine Tafel mit der Aufschrift »Kollaborateur des Monats«.
    Herr Dummnuss machte ein entsetztes Gesicht, doch dann fing er sich wieder. »Das ist nur ein Scherz! Die Auszeichnung... sie ist nicht echt... Kann sie ja gar nicht. Wie denn auch? Wie albern! Lächerlich. Nichts als ein alberner kleiner Scherz, den meine Kollegen sich ausgedacht haben. Zum Spaß.«
    »Aha. Wo arbeiten Sie denn?«, fragte Loo.
    »Ah... Der Name ist mir im Moment entfallen...«, stammelte Herr Dummnuss. »Im Ministerium für... irgendwas... Wie trinkst du deinen Tee? Mit Zucker? Zitrone? K.o.-Tropfen?«
    Was auch immer Herr Dummnuss Loo in den Tee getan haben mochte, es haute voll rein. Da sie nichts gefrühstückt hatte, bemerkte Loo den leicht chemischen Geschmack gar nicht, ebenso wenig wie die kleinen schwarzen Kapseln, die aus den Küchlein zu ragen schienen. Herr Dummnuss hatte offenbar keinen Appetit. Er lehnte sich nur in seinem Stuhl zurück, legte die Hufe aneinander und keckerte leise in sich hinein. Loo störte das nicht. Umso mehr blieb für sie übrig.
    Während sie sich den Bauch voll schlug, erzählte Herr Dummnuss wunderbare Geschichten über das Leben in Blarnia. Er erzählte von den mitternächtlichen Festen, bei denen die Dryaden, die Druiden und die Droiden erschienen, um mit einer scharfen Handgranate Badminton zu spielen. Er erzählte von dem Weißen Hirschen, der einem Wünsche gewährt, wenn man ihn fängt. Er erzählte, dass der Hirsch langsam alt wurde und sich nicht mehr sonderlich anstrengte, seinen Häschern zu entkommen. Er erzählte, dass jeder in Blarnia den Hirsch schon einmal gefangen hatte, sogar ein Querschnittsgelähmter. Da der Hirsch nie ausgeschlossen hatte, dass man sich mit einem seiner Wünsche einfach noch mehr Wünsche wünschte, hatte jeder in Blarnia unendlich viele Wünsche frei. Doch jedes Mal, wenn man einen davon äußerte, wünschte sich irgendein Bekannter aus reiner Bosheit etwas, das ihn wieder aufhob. Das Leben war mithin genauso trostlos und schrecklich wie zu der Zeit, bevor der Hirsch aufgetaucht war, nur dass sich jetzt alle gegenseitig daran die Schuld gaben. Daher war das ganze Land von einer furchtbaren Bitterkeit erfüllt. »Es ist, als würde man in einer verdammten Kurzgeschichte von O. Henry leben«, seufzte Herr Dummnuss. »Ewaldstochter, wie ist das Teegebäck?«
    »Mmmmfpf-mmfpff«, sagte Loo, während sie sich zwei weitere Küchlein in den Mund stopfte.
    »Die gelingen immer. Ich hab das Rezept aus dem Kochbuch von Marilyn Monroe.« Als Herr Dummnuss gerade von Bacchus’ letztem Besuch in Blarnia erzählte, bei dem sich alle gnadenlos besoffen und sich am Ende Lübecker Hüte auf den Kopf gesetzt hatten, hielt er plötzlich inne, als sei ihm der Grund für Loos Besuch wieder eingefallen. »Wie fühlst du dich?«, fragte er. »Ein bisschen benommen vielleicht?«
    »Nö«, sagte Loo, während sie mit einem Brocken Kuchen den letzten Klecks Himbeermarmelade aufwischte. Sie steckte sich den Bissen in den Mund und rülpste dann laut.
    Herr Dummnuss strich sich über die Wange und runzelte die Stirn. Dann entspannte sich seine Miene wieder. »Ich glaube, was wir jetzt brauchen«, sagte er, »ist Musik.« Er ging zum DVD-Player hinüber. »Darauf kann man auch CDs abspielen«, sagte er, während er an dem Gerät herumfummelte. »Es dauert allerdings ein bisschen, bis der Dampfkessel aufgeheizt ist.«
    Eine halbe Stunde später hallte eine ganz unglaubliche Musik durch die gemütliche Höhle. So etwas hatte Loo noch nie gehört. »Deinem Gesichtsausdruck entnehme ich, dass dir die Werke Jethro Tulls nicht vertraut sind«, sagte Herr Dummnuss. »Die meisten Rocksongs finde ich... geistig nicht besonders anspruchsvoll. Aber das hier - hör dir mal diese Flöte an!« Herr Dummnuss begann mitzusingen. »Sitting on a park bench - eyeing little girls with bad intennnt! Hey, Aqualung!«
    Loo wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Daher saß sie nur da, lächelte und versuchte das plötzliche Grummeln in ihrem Bauch zu ignorieren. Herr Dummnuss schien darauf zu warten, dass sie irgendetwas tat, aber Loo wusste nicht was.
    »Erstaunlich - diesen glasigen Blick hat sie offenbar immer«, sagte er halb zu sich selbst. »Dann muss ich wohl

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