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Die Chroniken von Blarnia

Die Chroniken von Blarnia

Titel: Die Chroniken von Blarnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gerber
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beschlossen, sich nicht von seinem Weg abbringen zu lassen, und daher konnte man ihn immer wieder dabei beobachten, wie er unfehlbare Pläne und wertvolle Erkenntnisse über das menschliche Dasein auf Erden in seinen erhobenen rechten Zeigefinger diktierte. »Ist Loos Verhalten ein Hilfeschrei? Oder schreit es«, sagte Ed nun, »lediglich nach einer Tracht Prügel?«
    Unabhängig davon, was Ed darüber dachte, ist fraglich, ob Loo selbst begriff, was sie dazu trieb, an einem herrlichen Sommertag - um nur eins der weniger krassen Beispiele zu nennen - den ganzen Nachmittag damit zu verbringen, sich mit Mutters Nudelholz totwalzen zu wollen. Kinder sind keineswegs weniger sonderbar als Erwachsene, bei ihnen staut sich nur alles auf viel kleinerem Raum.
    Pete ertappte seinen Bruder dabei, wie er das Memo für sich selbst aufzeichnete. Obwohl Ed schon des Öfteren erklärt hatte, was er da tat, fragte Pete: »Was machst du denn da? Bohrst du in der Nase?«
    Ed grinste verächtlich. So wie Eskimos eine Menge Wörter für Schnee haben, verfügte Ed über ein ganzes Repertoire von Gesichtsausdrücken, um seinen Geschwistern zu verdeutlichen, wie wenig er von ihnen hielt. Ich weiß, Sie werden es unglaublich finden, lieber Leser, aber Ed hatte das Pech, in eine Familie von Volltrotteln hineingeboren worden zu sein. So etwas ist höchst ungewöhnlich, wie Sie sicher wissen, denn die meisten Geschwister verstehen sich bestens. Sie selbst zum Beispiel haben Ihre Brüder und Schwestern ganz bestimmt so lieb, dass Sie es oft kaum aushalten können. Ich wette, manchmal kneifen Sie sich vor lauter Freude.
    Doch der arme Ed hatte leider weniger Glück. Er hielt sich damit bei Laune, dass er nicht nur Grimassen zog, sondern die anderen triezte, wann und wie immer er konnte. Seine Geschwister waren nicht im Stande, seine teuflischen Listen zu durchschauen, und so hingen die anderen Perversie-Kinder dem Aberglauben an, dass (um nur ein Beispiel zu nennen) böse Elfen sich einen Spaß daraus machten, jeden Morgen auf ihre Cornflakes zu urinieren. Und nun, da sie sich in einem gruseligen, einsam gelegenen alten Haus voller fremder Menschen befanden, von denen einige garantiert ein langes Vorstrafenregister hatten, fiel es ihnen umso leichter, an solch mysteriöse Vorkommnisse zu glauben.
    Nachdem sie stundenlang Formulare ausgefüllt hatten, was durch Streitereien nur noch mehr in die Länge gezogen wurde (Sue konnte nicht glauben, dass Leibeigenschaft das bedeutete, was Ed sagte - so etwas Ungerechtes !), waren die Kinder ins Bett geschickt worden.
    »Heute gibt’s kein Abendessen«, hatte Professor Berke erklärt, »damit wir morgen früh frisch und munter mit den Versuchen beginnen können.«
    Sobald sie zum Schlafen hinaufgegangen waren, schlichen sich die Jungs in das Zimmer der Mädchen, um den Fortgang der Handlung zu besprechen.
    »Das ist ja echt Spitze hier!«, brüllte Pete, als er ins Zimmer stürmte. »Weit und breit keine Eltern! Wir können tun und lassen, was wir wollen!« Leider bedeutete das in seinem Fall, sich so zu verhalten wie immer, nämlich total überdreht und destruktiv. Ein Kissen wie einen Rugby-Ball unter den Arm geklemmt, flitzte er kreuz und quer durchs Zimmer, wobei er mit diversen Möbeln zusammenstieß.
    »Zu viel Testosteron im Blut«, murmelte Ed und wich einem umkippenden Garderobenständer aus. »Wer außer mir glaubt, dass der Professor zu den zehn von Amnesty International meistgesuchten Personen gehört?«, fragte er.
    »Ach, so schlimm ist er gar nicht«, sagte seine große Schwester Sue milde. »Ich glaube, er ist ein wahrer Schatz.«
    »Ja, ganz offensichtlich «, erwiderte Ed. »Moment mal — hast du ihn gerade >Schatz< genannt?«
    Sue runzelte wegen der schlüpfrigen Bemerkung die Stirn. Das tat sie bei jeder Gelegenheit - so war sie eben: etwas verkniffen. Nur dass man in ihrem Fall nicht Steuerschulden, eine schwierige Menopause oder andere Erwachsenenausreden als Erklärung gelten lassen konnte.
    Alle zuckten zusammen, als Pete gegen eine Kommode krachte und k.o. ging. Es war nicht leicht, sich zu unterhalten, wenn er dabei war.
    »Ich will nicht sagen, dass der Professor ein Verbrecher ist, aber er ist verdammt knickrig«, schnaubte Ed. »Lässt uns unser eigenes Porto bezahlen...«
    »Ich finde es total nett von ihm, dass er uns aufnimmt«, mischte Loo sich ein, »wo doch die Deutschen Scheinbomben auf London werfen.« Sie begutachtete ein Buch und versuchte dann eher zaghaft, sich

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