Die Chroniken von Blarnia
beziehungsunfähige Gerber wandte seine überbordende Phantasie den Chroniken von Blarnia zu. Schauplatz dieser Buchreihe ist eine Art Wunderland, in das man nur durch verzauberte Möbelstücke gelangt. Das Thema Inneneinrichtung war für die utopische Literatur schon immer ein fruchtbares Terrain, doch in den Händen eines so erschütternd geistlosen Autors wie Gerber verkamen die Blarnia-Bücher bald zu einem Vehikel, um alte Rechnungen zu begleichen, vermeintliche Rivalen zu verunglimpfen und sich über Gott und die Welt zu beklagen, ohne dass irgendjemand Notiz davon nahm.
Nach diesem literarischen Tobsuchtsanfall von epischer Länge führte Gerber ein friedliches Leben, das zu einer bizarren Karikatur einer normalen bürgerlichen Existenz geriet: Er hielt (uneingeladen) Vorträge auf allen möglichen Veranstaltungen und schrieb (unerbetene) Briefe an eine Vielzahl von Leuten. Sein Ringen mit den fundamentalen Fragen des Lebens (»Wenn es einen Gott gibt, warum macht er mich dann nicht größer? Und warum tritt man mir immer wieder in die Eier}«) wird von gläubigen Menschen in aller Welt als leuchtendes Beispiel dafür angeführt, was man nicht tun sollte.
1 Tag, Leute
* Besonders, wenn Srebnen involviert waren. Aus irgendeinem Grund war Sue überzeugt, dass dieses friedfertigste aller Völker für die meisten Probleme der Menschheit verantwortlich war. Sie ging sogar so weit, in Fehlverhalten jeglicher Art ein untrügliches Zeichen dafür zu sehen, dass jemand srebnisches Blut in den Adern hatte. Es war ein Jammer, wie sehr sie in ihren Vorurteilen gefangen war. Ed hatte Newsletter von diversen staatlichen Stellen Srebniens für Sue abonniert. Seltsamerweise regte sie sich besonders über die Pressemitteilungen der srebnischen Fußballnationalmannschaft auf. »Die tun auch noch so unschuldig!«, meinte sie.
* Die Kombination aus Debilität und Geldmangel hatte dazu geführt, dass Pete von jeder Privatschule im ganzen Lande abgelehnt worden war. Schließlich kam er auf eine Hundeschule. Aber auch dort wurde er prompt wieder rausgeschmissen, nachdem er zur »Einschulung« mit Schrankkoffer, Strohhut und Tennisschläger aufgekreuzt war. Seitdem lebte Pete in einer Phantasiewelt. Aus Angst vor der unvermeidlichen gesellschaftlichen Ausgrenzung, die sie erleiden würde, wenn ihr Bruder mordend durch die Lande zöge, hatte Sue Pete bei seiner Rückkehr eine »Schuluniform« mitsamt einem Wappen mit über einem Hydranten gekreuzten Knochen genäht.
* Eds Idee, die Tür mit Feuerwerkskörpern aufzusprengen, hatte nicht funktioniert. Der Kühlschrank wurde dadurch nur sehr heiß.
* Das konnte man wohl sagen! Er war eines jener Kinder, die durch die Nachbarschaft streiften und Blechdosen sammelten, um sie als Altmetall zu verkaufen. Und er wollte unbedingt ein Offshore-Bankkonto eröffnen. In der Hoffnung, dass man dazu kein richtiges Meer brauchte, hatten er und ein Schulfreund das Geld einfach in den Dorfteich geschmissen.
* Das Vorkommen eindeutig irdischer Tiere in Blarnia lässt darauf schließen, dass vor sehr langer Zeit, ähnlich wie auf der Landbrücke, die einst Asien mit Nordamerika verband, Tiere durch antike Möbelstücke von einer Welt in die andere gelangt sind. Es wird allgemein angenommen, dass die unerfreulichsten Arten unseres Planeten aus Blarnia stammen - was kein Wunder wäre...
2 Wenn man Eds zusätzliches Jahr im Mutterleib mitzählt, war er fast elf. Aber da Frau Perversie alles, was mit Fortpflanzung zu tun hatte, als übernatürlich und hochnotpeinlich betrachtete, werde ich es nicht wieder erwähnen.
* Die meisten Unternehmen waren wegen der beträchtlichen Steuervorteile von Blarnia nach Wunderland gezogen. Und die wenigen, die geblieben waren, verlagerten sämtliche Arbeitsplätze nach Mittelerde, wo man die Leute einfach damit bezahlen konnte, dass man sie nicht umbrachte. Eine-Stunde-nicht-umgebracht-Werden war in Mittelerde ein verdammt anständiger Lohn.
* Eines der Rentiere hatte einen Herzinfarkt erlitten, und er machte gerade Mund-zu-Mund-Beatmung.
* Die Rede ist natürlich von dem positiven psychologischen Effekt für Ed.
3 Danke, CensorVision!
* Wieder die Girl Guides.
4 Zum Beispiel klaute sie ständig Münzen vom Spendenteller an der Supermarktkasse. Man könnte meinen, das sähe ihr gar nicht ähnlich, doch weit gefehlt. Sue Perversie war fest davon überzeugt, dass die schlimmsten Schicksalsschläge, die sie sich nur vorstellen konnte, schon bald
Weitere Kostenlose Bücher