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Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier

Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier

Titel: Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Schafer
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ließ es an der geschlängelten Wagenreihe entlanggehen.
    Kiran schaute ihr ein wenig ratlos hinterher. »Warum reiten wir nicht alle zusammen?«, fragte er leise und zögernd. Auf meinen ermutigenden Blick redete er etwas lauter. »Du sagst doch, die Arbeit des Vorreiters beginnt erst hoch oben im Gebirge.«
    »Ja, aber Steinschlag kommt bis ins Tal. Wir verteilen uns auf die ganze Länge des Zuges, damit nur einer verletzt oder getötet wird, falls eine Geröll- oder Schneelawine niedergeht. Wenn wir alle zusammen draufgingen, wäre keiner mehr übrig, der die Bergung der Überlebenden sichert und die weitere Strecke erkundet.« Er konnte sich nicht vorstellen, wie kaltblütig man für diesen Beruf sein musste. Ich hatte noch immer Albträume von dem Tag, an dem Sethan umgekommen war.
    Eisen quietschte und ächzte. Ich richtete mich im Sattel auf, und meine Vorfreude auf die Berge verdrängte die schreckliche Erinnerung. Weit vorn wurden die Flügel des großen Westtors durch das Räderwerk auseinandergezogen. Meine Laune stieg, als dahinter die Berge in Sicht kamen. Der Schnee leuchtete feurig rosa im Sonnenaufgang. Kämme und Spitzen hoben sich scharf gegen den Himmel ab. Die Schönheit benahm mir den Atem, und für einen Moment fühlte ich mich wie der glücklichste Kerl auf der ganzen Welt; Jylla und alles andere waren vergessen. Ich grinste unwillkürlich übers ganze Gesicht, als Meldons Ruf und Handglocke schallten und das vorderste Gespann anzog. Nichts ist so aufregend wie der Aufbruch zu einer Bergtour.
    ×
    Mein Pferd trottete hinter dem Vorreiterwagen die sandige Straße entlang. Auf dem Kutschbock saß Harken, den breitkrempigen Hut tief ins Gesicht gezogen, und schien zu dösen, doch ich ließ mich nicht täuschen. Sowie Cara zurückkäme, würde ich mit meinem sogenannten Lehrling ein Stück wegreiten und endlich mit ihm reden. Den ganzen Vormittag hatte ich wegen Pello gegrübelt. Dass Kirans kleine Geschichte mit den Bankhäusern noch nicht alles war, überraschte mich nicht; ich hatte nichts anderes erwartet. Aber wenn seine Gegner doch gefährlicher waren, würde er mir, Nobelsprössling hin oder her, für die Lüge bezahlen.
    Inzwischen wirkte Kiran nicht mehr so besorgt. Beim Treffen am Brunnen war er noch sehr angespannt gewesen, aber wir hatten das Stadttor kaum hinter uns gelassen, als er auch schon lockerer wurde. Obwohl hinten im Wagen zwischen den klumpigen Öltuchsäcken eingezwängt, sah er gelassen aus. Er beugte den Kopf über einige Seilstücke und übte gewissenhaft die Knoten, die ich ihm gezeigt hatte. Das erinnerte mich an Mellys Fadenspiele, weshalb ich mich abwandte.
    Hinter uns erstreckte sich die lange Schlange der übrigen Wagen. Wir hatten den ganzen Vormittag gebraucht, um die Salzebene, die jenseits der Stadtmauer beginnt, zu überqueren. Jetzt hatten wir die sanft ansteigende Krautsteppe erreicht, wo Salbeisträucher und gelbe Kaninchenheide wachsen, glasig schwarze, spiralige Gesteinsbrocken herumliegen und trockeneRinnen den Boden durchziehen. Im Malerischen Tal regnet es höchstens mal im Sommer bei einem der seltenen, aber heftigen Gewitterstürme, und dann kommt es zu Sturzfluten, die die trockene Erde schneller wegschwemmen, als ein Mensch laufen kann.
    Es war bereits heiß. Die Luft flimmerte über der Salzwüste, und die weißen Mauern und Türme der Stadt schienen über dem Boden zu schweben. Von draußen sieht Ninavel immer schön und unwirklich aus, wie eine Fata Morgana in der sengenden Hitze der Wüste. In der Ferne jenseits der Stadttürme erhoben sich die braunen Umrisse des regenarmen, kargen Schlupflochgebirges, das die Ostseite des Wüstentals bildet und nicht so hoch und zerklüftet ist wie das Weißfeuergebirge. Es ist die Heimat der Sandkatzen, deren Krallen länger als eine Menschenhand sind und die den Kopf eines Menschen zu Mus zerquetschen können. Cara war wild darauf, sie zu jagen, und tat es lediglich mit einer Armbrust und einem Fernsichtamulett.
    Ich drehte mich wieder nach vorn. Kirans Blick war auf die Stadt geheftet. Seine blauen Augen verdunkelten sich wie beim Roten Dal, wenn er feststellt, dass ein Nobelhaus zu gut geschützt ist und er seine Behafteten nicht reinschicken kann. Seine Finger schlossen sich krampfartig um einen halbfertigen Knoten.
    Aha. Doch nicht so locker, wie er schien. »Manchmal fällt es einem schwer, die Stadt hinter sich zu lassen«, sagte ich.
    Kiran sah mich groß an. »Wie bitte? Oh. Ja, ich   …

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